gez.: Eichler
Donnerstag, 09. Februar 2006

Die personifizierte Schnittstelle zwischen ministerialen Ansprüchen und bautechnischer Wirklichkeit

Baustelle am Westausgang des Bunkers in Dernau 1967. Über das Geschehen hier wie auch auf allen anderen Bauplätzen des Bunkers wachte die Bauleitung mit Sitz in Marienthal. Ansprechpartner von Seiten des Auftraggebers ist Regierungsbaudirektor Fritz Eichler, leitender Mitarbeiter in der Bundesbaudirektion.

Beschließt eine demokratisch gewählte Regierung den Bau eines Schutzbaus für „Krise und Krieg“, wird durch diese Entscheidung ein umfangreiches ministerialbürokratisches Räderwerk in Gang gesetzt. Gleich mehrere Ministerien melden ein Mitspracherecht an. Bundesämter treten in Erscheinung. Entscheidungskompetenzen entwickeln sich.

1959. Ein einmaliger Fall in der Geschichte der Bundesrepublik - seit mindestens 15 Jahren. Und für schließlich 40 Jahre. Die Bundesregierung soll ihren Bunker bekommen. Den größten in ganz Europa, das teuerste Einzelbauwerk der Republik - bis zum heutigen Tag.

Entscheidungen müssen getroffen werden. Das reicht von der verteidigungstechnischen Ausrüstung und Einrichtung über den Etat bis zur Geheimhaltung beim Bau einer solchen Anlage. Problematisch dabei: Mehr oder weniger müssen die „zivilen Gesetzgebungen“ beachtet werden. Ausschreibungsrichtlinien, Ankäufe von Grundstücken auf oder unter denen eine solche Anlage liegt, baupolizeiliche Auflagen bis zur Durchfahrgenehmigung für Baufahrzeuge bei der zuständigen Kreisverwaltung. Bereiche, die sich in ihrer logischen Verkettung bei der Durchführung im Wege stehen. Eigentlich möchte man auf den Rat oder Entscheidungen anderer verzichten, denn beides setzt Wissen voraus: Wer hat eigentlich Vorfahrt an einer Kreuzung, an der sich gleich mehrere regeltechnisch gleichberechtigte Teilnehmer gegenüberstehen?

Der Bau des deutschen Regierungsbunkers machte da keine Ausnahme. Das komplexe und komplizierte Zusammenspiel zwischen Bund, Land bis zu privaten Besitzern eines Freizeitgrundstückes oder Weinstocks entwickelte seine Eigenarten ...

Der Mann mit der Aktentasche

Alles war lösbar, doch das brauchte seine Zeit. Und genau die hatte Regierungsbaudirektor Fritz Eichler nicht. Er war ab 1959 die personifizierte Schaltstelle zwischen der Bonner Ministerialbürokratie und denen, die schließlich den Regierungsbunker entwarfen und bauten. Mitarbeiter der Bundesbaudirektion mit Sitz in Berlin, Außenstelle Bonn. 50 Jahre alt bei Beginn der Planung, verheiratet. „Als er die Aufgabe zugewiesen bekam, einen sinnvollen Schutz vor einem Atombombenangriff zu schaffen, sagte mein Mann: In einem solch ernsthaften Fall nimmt man seine Aktentasche und hält sie sich flach über den Kopf!“. Erinnerungen von Lieselotte Eichler. „Mein Mann hatte überhaupt keine Ahnung vom Bau eines Bunkers.“ Und doch erwarteten gleich mehrere Ministerien, dass Planung und Baubeginn in Rekordzeit durchgezogen werden. Für die Trümmerräumung stand der 9. November 1959 als Start fest, vorgesehene Fertigstellung 15. März 1960. Immer vorausgesetzt, es gäbe keinerlei Probleme. Doch die gibt es durchaus, zum Teil mit durchschlagenden Folgen.

Aus dem Beamten Fritz Eichler entwickelte sich schnell ein akribischer Manager, ohne den in Sachen Bunkerbau nichts mehr ging. Auf seinem Schreibtisch in Bonn lief alles zusammen: Welche Grundstücke mussten für den Bau durch den Bund angekauft werden, was würde die Enttrümmerung kosten, was schließlich der Rohbau. Welche Wünsche welchen Ministeriums greifen in die weitere Planung ein, wohin sollte der Aushub der Tunnelarbeiten verbracht werden, wie kamen Tausende von Tonnen Baumaterial an ihren Platz. Welche Firmen sollten die Arbeiten übernehmen und wie war es machbar, all das so abzuwickeln, dass nicht sofort alle Welt wusste, was da zwischen Dernau und Ahrweiler vor sich ging.Die Kostenfalle

Kein leichter Job, allein von den Abläufen, die heute bekannt sind. Eines der größten Probleme stellte die Finanzierung dar. Die geplanten und durch Fritz Eichler geprüften Kosten wurden nach der Ausschreibung und Einreichung von Bieterangeboten weit überschritten. Es wird nachgeprüft und schließlich Möglichkeiten einer Kostenreduzierung gesucht. Bauwerke sollen abgespeckt werden, Fluchttunnel in ihrem Neigungswinkel verändert, damit die Wege kürzer und damit die Baukosten geringer werden. Der Teufel steckt oft genug im Detail: Für die Isolierung der Eingangsbereiche sollen ein paar tausend Mark eingespart werden in dem die Kunstharzbeschichtung durch geeignete Pappeisolierung ausgetauscht werden soll. Und selbst der Planungsstab im Bauwerk 6 möchte nach Eichlers Vorschlägen auf seine exponierte Alleinlage in einem neuen Seitenstollen verzichten und zurückkehren in Räumlichkeiten des Hauptstollens. Immerhin schaffte es der Regierungsbaudirektor, so fast die Hälfte des ursprünglich verplanten Budgets aus den erhöhten Kostenvoranschlägen der Bieter wieder heraus zubekommen. „Er war stolz darauf, dass er einen Weg fand, die Kosten im vorgegebenen Rahmen zu halten“, erinnert sich Ehefrau Lieselotte.

Doch dann erhält er als Durchschlag am Jahresende 1960 einen Brief, der vermerkt: „Den Änderungsvorschlägen der Bundesbaudirektion kann nicht entsprochen werden, zumal die Kosteneinsparung in keinem sinnvollen Verhältnis zu den vorgeschlagenen Maßnahmen steht“. Absender ist das Bundesinnenministerium. Der Minister selbst unterschreibt.Der Lerchenberg ruft„gez. Eichler“ – so enden in den Folgejahren die relevanten Schriftstücke mit Bezug „Anlagen des THW“ zwischen Auftraggeber und Ausführenden. Er ist und bleibt die Schnittstelle, die nicht weniger ministerialbürokratische Abläufe zusammenbringen muss. Mit der Bauleitung verbindet ihn ein gutes Verhältnis. Irgendwann hat er mal jenen in einem der ersten Protokolle für den „körperlichen Einsatz beim Überwinden der Schuttberge in den gesprengten Tunnels“ gedankt. Jetzt baut er mit den gleichen Leuten Tag für Tag einen Bunker. Eichler muss auf Termine achten, auf die Ausführung, auf die Kosten.

Und auf die Sicherheit um die Anlage und ihren Bau. Das gehört eigentlich nicht zu seinen Aufgaben, bestimmt aber schließlich seine Biografie im Umgang mit dem Ausweichsitz mit. Ein „geheimdienstlich“ relevanter Zwischenfall verändert das Leben der Familie. Fritz Eichler, der Beamte, verlässt die Bundesbaudirektion vor der Fertigstellung des Regierungsbunkers und geht „in die freie Wirtschaft“. Die nächste Baustelle ist der Lerchenberg in Mainz. Eichler baut das Sendezentrum des ZDF. Auch seine Marienthaler Mannschaft wird vor Ende der Bauarbeiten „abberufen“. Der nächste Einsatz bringt sie nach München. Die Olympischen Spiele 1972 werfen ihre Schatten voraus. Der Staffelstab wechselt von der Ahr an die Isar, die Marienthaler bauen die olympischen Sportstätten, inklusive Olympiastadion. Einer, mit denen beide Orte in Verbindung stehen, folgt schließlich seinem alten Dienstherren und Vertrauten nach Mainz und baut ab 1974 am ZDF-Standort mit: Herbert Hennig (Hennig ist stellvertretender Oberbauleiter in Marienthal und berichtet mehr über seine Arbeit unter dem Stichwort "Historie").

Der Leitende Regierungsbaudirektor a.D. Fritz Eichler stirbt 84-jährig 1993. Den Beschluss des Rückbaus erlebt er nicht mehr. „Es hätte ihm das Herz gebrochen“, weiß Lieselotte Eichler heute, „denn er hatte zu diesem Bauwerk auch nach der Mitarbeit daran immer eine sehr innige Beziehung.“