Verschlusssache
Dienstag, 07. November 2006

MAN-Schienenfahrzeug: Damals genialer Bau, heute stille Wächter

Foto: Ein MAN mit einem anderen im Huckepack: Anlieferung der Torteile am Zugang Ost-Ost im Sommer 1962
Foto: Ein MAN mit einem anderen im Huckepack: Anlieferung der Torteile am Zugang Ost-Ost im Sommer 1962

Faszination MAN-Tore. Bis zum heutigen Tag reicht der Mythos. Er wurde nicht beseitigt - oder konnte nicht abgerissen werden. In allen Hauptzugängen stehen die 25 Tonnen schweren Verschlüsse auf ihren Wagen, jeweils zwei Stück. Gegenläufig und in alter Zeit immer eines geschlossen - man wusste ja nie.

Faszinierend nicht zuletzt deshalb, weil alle acht Tore auch nach dem Rückbau wie Mahnmale in ihren Betonnischen ruhen. Ewige Wächter an vergessen Orten. Im Museumsteil werden zwei wieder ans Netz gehen.

Foto: Getarnte Lieferung: Alle Außenbereiche wuden unter Tarnnetzen errichtet. Selbst das Entladen fand unter Ausschluss neugieriger Blicke statt. Im Hintergrund ist der Zugang in den Kuxberg zu sehen.

So beeindruckend die Tore an den Hauptzugängen des Regierungsbunkers sogar heute noch wirken mögen, ihr Platz in einem riesigen Zugangsbereich fällt fast schon als nobles Understatement aus, weiß man um den Aufwand in der Bauzeit. Denn nach dem Gießen der mehr als sechs Meter starken Bodenplatten mit ihrer Stahlbewährung standen sie dort. Zwillinge, einsam und allein vor dem Loch im Berg.

Schilfrohr(an)bau im Ahrtal

Es war der Kern eines sensiblen Bereiches, der so angelegt war, dass er eingegossen in seinem Umfeld, das erste war, was aufgestellt wurde. Um die Stahlgerüste der Führung wurden die gesamten Eingangsbauwerke gebaut - monatelang.

Ein skurriler Anblick: Das abschottende Haupttor steht einsam und allein auf einer riesigen Betonfläche. Eine Beurteilung, die offensichtlich auch dem Bauherren ein wenig ungeheuerlich erschien. Er ließ bis zu 20 Meter hohe Sichtschutzzäune um den Torbau zu Marienthal, Dernau und Ahrweiler errichten. Keine Himmelsrichtung blieb von den Tarnnetzen und Schilfrohrzäunen verschont. Sogar horizontal wurde der Blick verwehrt und über allem gespannt, was die Netze her hielten. Verschlusssache ist Verschlusssache.

Die ursprünglich "weiche" Lösung

Foto: Die Führungsgerüste der MAN-Tore am Zugang West-Ost, in denen hinten bereits der Rahmen steht. Links wartet der rote 'Rohling', der noch nicht mit Beton ausgegossen ist, auf seine Montage. Interessantes Detail im linken Hintergrund: Unter dem stabilisierenden Spritzbeton ist noch das Mauerwerk des ehemaligen Tunnelmundes zu sehen.

Die ursprüngliche Planung des Zugangsbereichs sah eine "weiche" Lösung vor. Hinter einer Parkschleuse im Eingang Marienthal Richtung Ahrweiler (es gab nur die Planung Ost) lagen Parkplätze für 20 PKW auf der linken Seite im Tunnel. Nach 60 Metern folgte ein 36 Meter langes Eingangsbauwerk. An schwere Verschlüsse hatte niemand in dieser Planung, die vom 10. Juli 1959 datiert, gedacht. Hinter konventionellen Drucktoren - sie ähnelten den inneren Verschlüssen der Anlage - folgten links die Technikräume mit Frischluftstollen, rechts lagen die Unterkünfte der Fahrer auf zwei Ebenen. Es folgten die Nassräume, dann das Bundespräsidialamt. Nicht allein diese Raumaufteilung macht deutlich, wie gravierend die Gesamtanlage in den Folgemonaten umgeplant wurde, denn sowohl das Bundespräsidialamt wie auch das Kanzleramt oder der Bereich des Bundesinnenministeriums lagen schließlich im innersten Abschnitt der Anlage und damit im Bereich der größten Überdeckung. Immerhin: Trotz permanenter Ratschläge der Bundesbaudirektion, aus Platzmangel unter Tage den Küchenteil von dort nach außen zu legen, setzte man an höherer Stelle im Gedanken an die Zeit der größten Not die Sicherstellung der Versorgung durch - und baute die Küchen im Teil Ost mittendrin.

Das Nachdenken über die Zeit der Not spiegelte sich auch in den Bauplanungen der großen Zugangsbereiche wider - die gar keine bleiben sollten. Im beauftragten Planungsstab hatte man diesen geradlinig verlaufenden Teil Richtung Schutzzone als Schwachstelle analysiert - und seinen endgültigen Verschluss angeordnet - sollte kein geeignetes Verfahren gegen einen Durchschuss nach einem direkten Volltreffer mit einer 1000-kg-Bombe entworfen werden. Mit viel Beton und Stahl sollte das Problem gelöst werden, denn Seiteneingänge wurden weder als technisch noch logistisch vertretbare Alternative zu den größeren vier Zugangsbereichen angesehen.

Foto: Sichtschutzzaun um die Baustelle am Zugangsbereich West-Ost: Bis zu 20 Meter hoch sollten Tarnnetze und Schilfrohrzäune den Bunkerbau vor neugierigen Blicken schützen.

Also wurde nach einem Partner gesucht, der hier mit Knowhow und guten Verbindungen weiterhelfen konnte.

Die Partner-Suche

Am 27. Juni 1960 - längst sind die alten Bunkerplanungen vom Tisch - tritt die Bundesbaudirektion Berlin, Außenstelle Bonn, an mehrere Unternehmen mit diesem Anliegen heran: "Im Rahmen der Planungsarbeiten für das o.a. Bauvorhaben (Ausbau Anlagen des THW; Anmerkg. d. Red.) und für weitere Untertageanlagen ist es erforderlich, von einer Spezialfirma die Druckabschlüsse als Drucktore und Zwischentüren entwickeln zu lassen, da entsprechende Konstruktionen noch nicht auf dem Markt sind." Bei den abschließenden Besprechungen, so der spätere interne Vermerk, hat sich herausgestellt, dass die Firma MAN, Werk Gustavsburg, besonders für die Lösung dieser Aufgabe geeignet erscheint, weil dort Arbeiten für den "schweren Wasserbau, d.h. Schleusentore und ähnliches, ausgeführt werden, die überaus hohen Druckbeanspruchungen entsprechen müssen. Zur Entwicklung der Konstruktion dieser Drucktore und Zwischentüren ist der Abschluss eines Vertrages auf Selbstkostenbasis der MAN vorgesehen." Doch die rasche Zusammenarbeit entwickelt sich auch aus ganz anderen Gründen. Der Bund kann auf den erfolgreichen Verlauf an anderen Baustellen zurück blicken, so beim Bau von Strahltriebwerken für Flugzeuge. Verträge sind wasserdicht - da unterscheidet sich der Schleusenbau nicht von der neuerlichen Partnerschaft mit dem Bund.

Doch das neue Projekt ist anders - das weiß man schnell auf beiden Seiten. Wochenlang arbeitet der innerste Zirkel weit über der Bundesdirektion am Entwurf der Entwicklungsverträge. Fragen wie die Änderung bisheriger Musterverträge stehen im Raum, Vertraulichkeit, Geheimhaltung, Urheberrecht und Haftung spielen eine Rolle, die auch für die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg neu ist. Der Aufwand will entlohnt werden. Auf 150.000 DM schätzt das Unternehmen die reine Entwicklung. Viel Geld in der damaligen Zeit (heute ca. 750.000 Euro). "Nur für den Entwurf!!! Zuviel!" vermerkt der zuständige Bereich des Bundes über eine Person, die noch gravierend in die Baugeschichte des Ausweichsitzes eingreifen wird (Die VS-Akte Marienthal).

Außerdem fehlen im entsprechenden Haushaltsansatz des Bundes die Mittel. Weniger ein Schock als vielmehr Verwunderung. Dieser Maßnahme geht das Geld aus?

Der Grund ist schnell gefunden - die "Kontonummer" ist falsch. Aus welchen Gründen auch immer - sie bleibt es. Die MAN-Tore sind einmalig, nicht nur aufgrund ihrer Ingenieursleistung und unumstritten baulichen Verwirklichung. Sie werden schließlich aus einem Titel bezahlt, der nie zuvor und danach beansprucht wurde.Das wissen weder die Arbeiter noch die Bauleitung im Ahrtal. Im Tagesgeschäft interessiert sie es sicher auch gar nicht. Das läuft - mit durchschnittlich 1,4 Meter pro Schicht im bergmännischen Bereich.Seit über einem Jahr liegen die Planungsunterlagen zu den MAN-Toren in der Marienthaler Bauleitung, als diese am 5. Mai 1962 vermerkt: "Beginn der Tormontage Ost-Ost". Bis September dauern die Arbeiten, werden etliche Tonnen Beton gegossen. Bis zu sieben Meter starke Außenwände fordern ihren Materialtribut. Rechts, links, oben, unten. In alle Richtungen wird in 21-Stunden-Schichten im Akkord gearbeitet. Und mittendrin stehen sie, vom ersten Tag an: Die MAN-Tore. Als "Rohlinge" aus reinem Stahl geliefert, vor Ort mit Beton ausgegossen, schließlich ein Schienenfahrzeug. Das gewählte Verfahren scheint optimal - und hat doch einen Nachteil: Der Zugang zur Baustelle wird versiegelt - endgültig.Die kann nur noch über einen neu angelegten Stollen vom Hauptbauplatz Marienthal erreicht werden. Doch auch hier laufen die Arbeiten am Hauptzugang auf Hochtouren, wird der große Korken in den Haupttunnel geschlagen.

Die Planungen für das Innenleben der Anlage ändern sich. Was bleibt, ist der Beschluss, die Zugangsbereiche zu bauen. Die schützende Hand über diese Entscheidung hält jemand, der nicht fragen muss. Und auch gar nicht will. Der Bunker soll endlich entstehen.

Vertrag für eine recht patente IdeeEin Einstieg ins Thema muss her - und die Sache selbst. Begleiterscheinung ist u.a. die Entscheidung für den Baustop West - von den Toren abgesehen. Diese werden inkl. der umgebenen Zugangsbereiche alle nach den gleichen ausgeschrieben Kriterien entworfen und gebaut. Als "Drucktür von 30 atü" sind "für die Abwicklung des Entwicklungsauftrages 6 Monate festgesetzt." Auch Bestandteil des Vertrages: "a) Der Auftragnehmer überträgt dem Auftraggeber das Benutzungsrecht an der Konstruktion, den Zeichnungen, Beschreibungen und evtl. Schutzrechte des Auftragsgegenstandes. b) Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Auftragsgegenstand an einen Dritten zu liefern. Ausgenommen davon sind Dritte in Staaten, die nicht der NATO angehören."
Außerdem meldet die MAN die Entwicklung mit der geheimen Auftragsnummer I A - 06231 - THW - 4 - 42/60 R am 24. Oktober 1960 zum Patent an.

Und nennt einen präzisen Betrag in der Endabrechnung: 99.695,63 DM soll die Entwicklung der Durchfahrt im Format 2,5 mal 2,5 Meter mit einer Bodenbelastung von zwei Tonnen kosten, die einem Atombombeneinschlag Stand halten soll. Ein 12-Punkte-Vertrag auf 10 Seiten hält alles fest.

Doch auch der Auftraggeber trägt zu den Inhalten bei. Mit den physikalischen Parametern wird deutlich, was er erwartet: Alles, nur keinen direkten Angriff auf seinen Bunker. Immerhin wird für die "Hitzestrahlung während einer Atomexplosion (...) für die Dauer von 5 Sekunden 8000° bis 10 000° C angenommen."

Doch beim Nennwert der radioaktiven Strahlung offenbart sich, wovon man im Ernstfall wirklich ausgeht. Der damals verwendete "rad"-Wert entspricht einem Abstand von 30-50 Kilometern zum Zündungspunkt der Hiroschima-Bombe - in flachem Gelände. Ein direkter Treffer wird ausgeschlossen. Die Täler des Ahrtales sollen schützen, und die Unwissenheit des Angreifers, wo dieses Ziel liegt.

Die "Verschlusssache Marienthal" - nicht nur die Tore sollen dicht halten. Auch das ausgeprägte Bedürfnis nach Geheimhaltung der Anfangsjahre soll die Anlage an den Rand einer Auseinandersetzung schieben.

Die Frage nach dem Ausgang

In jener Zeit wird u.a. ein Entwurf der Haupttore verworfen: Eine "nach innen verjüngende konische Konstruktion des Verschlusses ähnlich eines Korkens" kommt nicht in Frage. Das Argument: "Für einen Schutz gegen jeglichen Waffeneinsatz eventuell geeignet, könnte diese Konstruktion das Verlassen der Anlage erschweren oder ganz verhindern."