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Sonntag, 31. August 2008

Von einem Ausweichsitz zum anderen: Honeckers staatsgeheimes Endzeitdomizil

Wenn die Regierung in die Provinz umzieht: Prenden zählte nie mehr als 500 Einwohner, Marienthal 50. Überhaupt gibt es viele Ähnlichkeiten der Bunkerbaukultur Ost und West. Aber auch gravierende Unterschiede.

Er ist das Gegenstück zum „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“ hinter dem Eisernen Vorhang, verbuddelt im Sandboden der Mark Brandenburg und hört - wenig poetisch - auf den Namen „Objekt 17/5001“. Eher bekannt ist das unterirdische Ausnahmebauwerk unter dem Namen „Honeckerbunker“. Im Herbst 2008 öffnete sich das staatsgeheime Reich der DDR-Führung, um es anschließend noch besser – und endgültig - zu verschließen.

Nicht ganz ohne Stolz hatte man im Übersichtsplan des Ausweichsitzes / West dem befestigten Befehlsstand Erich Honeckers, Staatsratsvorsitzender der DDR und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, seinen Platz gegeben. Irgendwo im Tunnelverlauf des Bauteils 1 war ein Viereckchen eingezeichnet. Maßstabsgetreu passte es genau zwischen zwei Treppenhäuser – Honeckers Bunker. Im Gesamtverlauf des Osttunnels unter dem Kuxberg mit fast 1.400 Metern Länge ging der DDR-Führungsbunker mit seinen 66 mal 50 Metern Grundriss fast unter. Der Plan hing bis zur Außerdienststellung des Ausweichsitzes / West im Kabinettssaal. Den wenigen Besuchern des Jahres 1998 dort konnte so auch – eher unbewusst - klar gemacht werden, welche Gigantomanie sich die Bundesrepublik für ihr letztes Krisenrefugium geleistet hat.

Nicht ohne Stolz präsentierte man im Ausweichsitz / West den ersten öffentlichen Besuchern 1998 einen Größenvergleich mit dem Honeckerbunker. Der hätte genau zwischen zwei Treppenhäuser gepasst, von denen es im Westbunker 50 gab (im Bild 60 Meter des Museums – umgerechnet die Länge des Honeckerbunkers).

Wollte man den Honecker-Bunker als kleinen Klecks auf dem riesigen Plan des Regierungsbunkers / West so wirklich ernst nehmen? 85.000 Tonnen Beton waren für den in eine offene Baugrube in den märkischen Sandboden gegossen worden. Allein die Eingangsbauwerke des westlichen Gegenstücks brachten 142.000 Tonnen auf die Waage ...

Doch Größe ist eine Sache, die Technik eine andere. Und da hatten die ostdeutschen Bunkerbaukollegen einige Trümpfe ausgespielt, die man sich längst auch für die Anlage unter den Ahrbergen wünschte – so bei der federnden Aufhängung. Doch der Bau / West war 1978, als man in Prenden begann, die Kriegsängste / Ost in Stahl und Beton zu verpacken, längst beendet und Umbauten unmöglich.

So staunt man heute über komplexe Tragwerkskonstruktionen unter ostdeutscher Erde, über Puffer mit komprimiertem Stickstoff, die allesamt eine Aufgabe hatten: Den großen Bums über Tage als mildes Wackeln an jene weiterzugeben, die nun, wie ihre Regierungskollegen an der Ahr, über einen Staat ohne Volk weiterherrschen konnten.

Bunker im Bunker. Die „Haus in Haus“-Idee hatten die Architekten / West bereits 1959. Aus Kostengründen wurde sie beim Bau des Regierungsbunkers / West nicht umgesetzt. Anders 1978 in der DDR bei Prenden – im Bild Details eines Tragwerkes. In einen Betonwürfel wurden einzelne Bauwerke eingehängt, um die Wucht der atomaren Erschütterung aufzufangen.

Nicht nur die Idee, im 3. Weltkrieg ein paar Tage länger als die Bevölkerung zu leben, eint die Ausweichsitze Ost und West. Auch der Unsinn, im Wettlauf mit den Offensivwaffen mit einem Stopp glauben zu können, in Führung zu gehen. Die populäre DDR-Propaganda „Überholen ohne Einzuholen“ sollte hier offensichtlich auch unterirdisch greifen. Doch mit Baubeginn hatte man sich auch in Prenden festgelegt, den ständig neuen, noch effektiveren Waffen, an deren Verbesserung in beiden Blöcken Tag und Nacht weitergearbeitet wurde, künftig etwas entgegenzusetzen. Ein aussichtloser Akt bei der Umsetzung eines Sicherheitsbedürfnisses.

Ost und West haben den Kalten Krieg verpennt

Geisterten im Bonner Innenministerium längst etliche Gutachten, die das schwarz auf weiß für den Regierungsbunker / West dokumentierten, stellte man sich im Osten Deutschlands zwischen 1978 und 1983 in einem Waldstück südlich des kleinen Dorfes Prenden dieser Herausforderung.

Luftlinie sechs Kilometer von der Waldsiedlung Wandlitz (als Wohnort der DDR-Führung) entstand in Prenden ein weiterer Stützpunkt im Kleinstadtformat. Über 1.000 Soldaten eines Wachbataillons waren hier für den Krisenfall kaserniert, zusätzlich Verwaltungskräfte – neben dem geheimen Regierungsbunker / Ost.

Rund sechs Kilometer Luftlinie von der Waldsiedlung Wandlitz als eingezäunten Wohnort der DDR-Staatsführung entfernt und 20 Kilometer vor der Außengrenzen der Hauptstadt gelegen. Strategisch ein idealer Ort. Doch taktisch entstand die „Ausweichführungsstelle des Nationalen Verteidigungsrates“ in einer Zeit, als der Kalte Krieg längst aus seiner Hochkonjunktur heraus war. Mauerbau 1961, Kuba-Krise 1962, der Prager Frühling 1968 – all das war längst Vergangenheit und die 70er Jahre zählten eher zur Epoche der gemäßigten Annäherung der Blöcke.

Insofern hatte die DDR-Führung den Kalten Krieg mit einem Schutzbau für sein Umschlagen in eine heiße Phase noch mehr verschlafen, als das die Westdeutschen hinbekommen hatten.

Am Kommandostand im Ausweichsitz der DDR-Regierung. Interessanterweise plante die Ostberliner Führung den Bau eines Bunkerzwillings in Storkow. Obwohl angefangen, wurde dieser Plan aus Geldproblemen verworfen. Der DDR-Wunschpolitik standen längst Finanzprobleme gegenüber.

Ein weiterer Aspekt steht für die entrückte Wahrnehmung der DDR-Spitze: Das Land schlitterte längst in einen Finanzkollaps. Führende Volkswirtschaftler als Berater der Genossen ganz oben warnten vor der drohenden Pleite des Arbeiter- und Bauernstaates. Unter diesen Vorzeichen ein finanzintensives Projekt wie diesen Regierungsbunker anzugehen, steht mit Blick auf den Zustand der DDR-Volkswirtschaft für das eigene Verständnis der Führung um Honecker. Zumal der Regierungsbunker nur eingebettet in ein ganzes System weiterer, kostenintensiver Verteidigungsbauwerke (theoretisch) funktionieren konnte.

Unterstützung aus Bonn

Es klingt wie ein Witz der Geschichte, das ausgerechnet einer der größten DDR-Kritiker zum Ende der Bauzeit des Honeckerbunkers einen Milliarden-Kredit für den Klassenfeind einfädelte: Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß, in den Zeiten, als an der Ahr der Regierungsbunker / West gebaut wurde, Verteidigungsminister und eng an der Bauplanung dran – verschafft der maroden DDR so Gelegenheit zum Durchatmen.

Spur von Luxus: Bunkerküche für 350 Insassen (Ursprungsplanung für Prenden; Marienthal 500 / Küche) und Teppichböden in den Unterkünften inklusive Kinosaal für die taktische Lage und das Unterhaltungsprogramm.

Im gleichen Jahr dieser ungewöhnlichen Überweisung 1983 legen die Handwerker im Bunkerbau zu Prenden letztmalig Hand an. Die technische Ausnahmeerscheinung ist fertig, die im Gegensatz zum Pendant an der Ahr sogar Ansätze von Luxus durchschimmern lässt. So bei der Wohnkultur. Im Gegensatz zum Kasernen-Flair, das dem Bundeskanzler im Fall aller Fälle ein Zuhause bieten soll, schmücken Honeckers Zimmer ansehnliche Möbel, gibt es sogar einen Fernseher im Wohnbereich und Teppich, Tischdecken und ein immer frisch bezogenes Bett, auf dem der Schlafanzug des DDR-Staatsratsvorsitzenden mit eingestickten Namen und in Plastikfolie verpackt auf seinen Besitzer wartet.

Rund um die Uhr. Das Zeitfenster eint die Bunkerphilosophien Ost und West. Auch Prenden ist ständig besetzt und einsatzbereit. Auch hier gibt es Tiefbrunnen, Notstromerzeugung, einen medizinischen Stützpunkt mitsamt OP-Saal. Und auch hier wäre die Familie draußen geblieben. Mit nur einer Ausnahme. Die Chefin des einen signifikanten Bereichs war verheiratet mit dem Chef eines anderen, noch viel signifikanteren. Im Ernstfall wären sie eingerückt - ohne ihre beiden Kinder. Das einzig formal zugelassene Ehepaar im Bunker - und es hieß nicht Honecker.

Regierungsbunker / Ost: Hinter einem Starkstromzaun in einem ohnehin stark gesicherten Kasernenkomplex lag Honeckers Bunker (unten rechts). Bis zur Wende mit Baracken für die Versorgung getarnt (im Plan), die dann unter bundesdeutschem Kommando abgerissen und durch einen satten Erdhaufen plus Bepflanzung ersetzt wurden. Erst dann kam der Phantasiename „Monte Erich“ auf.

Und selbst bei der Auswahl des Beton griffen beide deutsche Staaten auf gleiches Material zurück: Güteklasse B300. Und B400 für die besonders gefährdeten Bereiche. Als wenn man sich abgesprochen hätte. Da klingt es fast verschwörerisch, dass beide Bunker eine gemeinsame „Patenstadt“ haben: Dresden. Hier lässt Honecker seinen Bunker entwerfen, von hier kommt aber auch der stellvertretende Oberbauleiter des Regierungsbunkers /West.

Zugang zum Raketenschacht (Weg zum Bunkereinstieg für die Touren 2008)? Die umfangreiche Baumaßnahme in Prenden warf natürlich bei der Bevölkerung Fragen auf. Bald kam das Gerücht von der Raketenabschussbasis auf, die Wandlitz schützen sollte. Für die Verantwortlichen offensichtlich die bessere Begründung als die für das heimliche Honeckerversteck. Für den Westen war es so oder so ein Angriffsziel. (Die gesamte Bepflanzung im Bild wie auch die Aufschüttung im Bildhintergrund entstanden nach der Wiedervereinigung 1990).

Bunkerabreise nach 14 Tagen

Was etwas anders war: In erster Linie die Größe. Den Ostdeutschen standen 7.500 Quadratmeter reine Nutzfläche zur Verfügung, der Regierung im Westen 83.000. 400 Personen wären in Prenden eingerückt, 3.000 im 10 mal so großen Bunker / West. Insofern war die Belegung / Ost effizienter.

Was auch anders war: Der DDR-Führungsbunker war für einen Aufenthalt von 14 Tagen konzipiert. Dann wäre man – mit ebenfalls verbunkerten – Spezialfahrzeugen Richtung Osten entschwunden. Dafür hatte man im Westen nach immerhin 30 Tagen den nahegelegenen Notlandeflugplatz auf der A61, Luftlinie fünf Kilometer.

Was beide Bunker eint, ist ihre Sinnlosigkeit. Beide hätten den Ernstfall nicht überstanden. Zwar federnd aufgehängt, aber dennoch mit einer Überdeckung von wenigen Metern Sand, wäre auch Honeckers Bunker bei einem Volltreffer in tausend Stücken und als radioaktive Wolke übers Land gezogen. Die Gutachten / West gingen bei einem Angriff auf ihr Bunker-Flagschiff (bereits 1962) vom Einsatz einer 5-Megatonnenbombe aus. Ein solches Kaliber hinterlässt einen 250 bis 300 Meter tiefen Krater, Durchmesser bis zu 800 Meter. Da braucht es noch nicht einmal einen Volltreffer.

Eingang in den Bunker. Was Besucher hier im Herbst 2008 erleb(t)en, hat historische Ausmaße. Ob überhaupt und wann der Weg in diese unterirdische Ausnahmewelt noch mal offen steht, weiß niemand. Der Umgang mit diesem Teil deutscher Geschichte muss noch mühsam erschlossen werden. Solang regiert der Schimmelpilz im Innern und Stahlbeton am Zugang.

Was beide Bunker außerdem eint, ist ihre Aufgabe im Kalten Krieg: Abschreckung und die Botschaft an den Gegner, den Erstschlag zu überstehen und dann von hier aus selber auf alle roten Knöpfe drücken zu können. Die vermeintliche Garantie der gegenseitigen Vernichtung – mit viel Geld, Stahl und Beton umgesetzt, immer in der Hoffnung, es funktioniert auch wirklich.

Was beide Bunker nicht eint: Der eine steht (wie die meisten seiner ostdeutschen Bauwerksgenossen) heute unter Denkmalschutz. Für den Regierungsbunker bei Bonn wurde dies in seinem Urzustand mehrfach beantragt – erfolglos. Das zuständige Landesamt für Denkmalpflege in Mainz lehnte ab. Zur gleichen Zeit wurde hinter der ehemaligen innerdeutschen Grenze ganz anders entschieden. Ausgerechnet diese markanten Punkte der deutsch-deutschen Geschichte sollten als Zeugnis / Ost erhalten bleiben und so auch für das sozialistische System stehen.

Gleiche Aufgabe, gleicher Beton, gleiche Rolle: Die Ausweichsitze des Bundes und der Länder (West) fehlen heute im Katalog der Denkmalschützer. Immerhin: Der Regierungsbunker / West ist in einem kleinen Teilbereich permanentes Museum. Der Regierungsbunker / Ost hat zwar die Denkmal-Plakette, seine einmaligen Öffnungszeiten in diesem Herbst erklären sich aber nur aus der Finanzierung einer endgültigen, gründlichen Versiegelung. 

Anreise über den Dekontaminierungsbereich für alle (im Bild). Die Stunde des Abschieds für die DDR-Führung hätte nach 14 Tagen geschlagen. Die Bunkerbesucher (im Herbst 2008) gehen zufrieden und tief beeindruckt nach zwei oder vier Stunden.

Verständlich ist also das große Interesse – an beiden unterirdischen Zeitzeugen des Kalten Krieges. Die „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“ musste einen Buchungsstopp für angemeldete Führungen im Monat September 2008 verhängen. Die Anlage wurde quasi überrannt. Und auch der Honeckerbunker in Prenden wurde gestürmt: Bereits nach wenigen Tagen waren die großen Führungen – Kosten pro Person immerhin 100 Euro – ausgebucht. Fast 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges ein versöhnlicher Einstand mit diesen Elitebauwerken und dem „gemeinen“ Volk – in Ost wie in West.

Die „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“ Bad Neuenahr-Ahrweiler erhält freundliche Unterstützung durch das Team „Objekt 17/5001“, ein Projekt der „Berliner Bunkernetzwerk“ BBN e.V., so bei der künftigen Ausstattung der Fotoausstellung – und bedankt sich ausdrücklich dafür. Im September 2008 sind Mitarbeiter und Gästeführer der „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“ auf Einladung des „Berliner Bunkernetzwerk“ nach Prenden gereist um sich ein Bild des Ausweichsitzes / Ost zu machen und auch erläuternde Erklärungen einzusammeln, die in den Führungen / West immer wieder nachgefragt werden. Ein besonderes Dankeschön geht an Hannes Hensel, Projektleiter „17/5001“.

Weitere Informationen zum Honeckerbunker gibt es im Internet unter www.bunker5001.com

(Stand: 31.10.2008)