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Der Alltag im Bunker PDF Drucken E-Mail

Ganz Ohr!

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Wie sah es im November 2005 im Ausweichsitz aus? Was sah man, was hörte man in der Zeit, als der Rückbau abgeschlossen war? Ruhe war eingekehrt im Bunker - und Finsternis, denn Licht gab es keins. Ein weiteres Sinnesorgan wurde angesprochen, wenn die Brandschutztüren in Nähe der großen Zugänge geöffnet wurden: Dann zog es in Europas größtem Bunker - und zwar kräftig. Was passierte, wenn man die Türen sich selbst und dem Druckausgleich zwischen Außenwelt und Tunnelklima überließ, verdeutlicht eine Tonaufnahme aus dem Bauwerk 195 im November 2005.


Immer Donnerstags kommt der TÜV ...

Es hört sich an wie der Text an der Tür zu einer gut geführten Autowerkstatt. "TÜV jeden Donnerstag". Was für die zivile Welt über Tage gilt, gehörte einst auch zum Alltag im Regierungsbunker der Bundesrepublik. Zum Ende jeder Woche kam ein TÜV-Mitarbeiter in die Anlage, um die Druckluftflaschen in Augenschein zu nehmen. Ein aufwendiges Verfahren - weniger für den Mitarbeiter des Technischen Überwachungsvereins Rheinland mit Sitz in Köln als vielmehr für die Techniker des Bunkers.

Für die Prüfungen mussten die Druckluftflaschen durch die technischen Mitarbeiter des "Ausweichsitzes" aus den Anlagenteilen, in denen sie eingesetzt wurden, ausgebaut und zum sogenannten TÜV-Platz im Bauteil West transportiert werden. Dieser lag in dem Teil des Hauptganges, wo der Fluchtweg Bauwerk 286 in Bauwerk 32 mündet. Hier bot die Anlage Platz genug für die Kontrolle. Auch ein separater Telefonanschluss war vorhanden. Unter 2179 informierte das Telefonverzeichnis der Dienststelle Marienthal als "Verschlusssache und nur für den Dienstgebrauch" über den direkten Draht zum Mann vom Überwachungsverein.

Rund 1.200 Druckluftflaschen gehörten zur Technik des Bunkers. Die meisten waren an den Verschlüssen eingesetzt. Mit Drücken von 20 bis 300 bar versorgten sie die "Jalousien" und Deckel mit der nötigen Luft, damit diese im Fall einer Detonation im Sekundenbruchteil schlossen. Druckwellen sollten so das Innere der Anlage nicht erreichen.

Besonders schwierig war das Ausbauen der Flaschen aus den Außenbauwerken des Teils Ost. In 15 Metern Tiefe standen die Flascheneinheiten in den Räumen der Technik und mussten durch schmale Öffnungen schließlich mit seinem Flaschenzug hochgezogen werden.

Acht bis 10 Prüfungen nahm der Mitarbeiter des TÜV pro Woche vor. Die Prüfung jeder Druckluftflasche stand turnusgemäß alle 5 Jahre an, alle 10 Jahre wurde die Prüfung mit Wasser und höheren Drücken vorgenommen.


Kapitänleutnant a.D. Klaus Kampe, ehemaliger "Fachbereichsleiter Verpflegung" an der Marinekochschule Sylt

"Während der Übungen - an zweien habe ich teilgenommen - waren wir für die Versorgung der Teilnehmer zuständig. Verantwortlich war die Lehrgruppe für Verpflegung der Bundeswehr mit Sitz in Bonn. Weil sich aber rumgesprochen hatte, das die Marine besonders gut kocht, hat man uns als Verstärkung hinzu gezogen. Und weil die Küchenbesatzung als Flüsterwelle über alles bestens informiert war, wussten wir auch, was zu welcher Zeit im Regierungsbunker los war. So ganz nach Vorschrift liefen dabei die Manöver nicht immer ab. Es wurde auch gefeiert, wobei die Matrosen mit ihren weißen Uniformen bei den weiblichen Insassen besonders hoch im Kurs standen. Die Kocherei selbst war nicht ganz einfach, denn die Kantinen waren außerhalb der Essenzeiten auch "Veranstaltungsräumlichkeiten". Immer eine Stunde vor den Mahlzeiten begannen wir mit den Aufräumarbeiten, und was da an Bierdosen und Weinflaschen anfiel, wurde von Tag zu Tag mehr. Interessant an den Übungen waren die bekannten Gesichter, die früher oder später alle bei der Essensausgabe auftauchten. So ersetzte Björn Engholm bei einer WINTEX-Übung als "Bundeskanzler Üb" den Regierungschef und nahm seine Aufgaben im Kriegs- und Krisenfall war. Die Polit-Prominenz fiel durch angenehme Zurückhaltung und bescheidenes Auftreten auf. Anders war das mit dem ein oder anderen Mitarbeiter aus dem unmittelbaren Umfeld. Da kam einer zu uns in die Küche und verlangte von einem meiner Matrosen eine Kerze, Tischdecke und Blumenstrauß für einen gemütlichen Abend. Das war zu viel und ich habe den Herren darauf hingewiesen, das wir hier im Regierungsbunker sind und an einer Kriegsübung teilnehmen, was mit gewissen Einschränkungen verbunden sei.


Pfarrer Heinz Christ, Militärseelsorger von 1980-1990

"Als Militärseelsorger im ABC-Abwehrbataillon 900, das in Zweibrücken stationiert war, habe ich zwei Mal jährlich an Übungen im Regierungsbunker teilgenommen, die aber nie zu den großen WINTEX-Manövern stattfanden. Es ging um die Dekonterminierung von Betroffenen in den Schleusen im Eingangsbereich und die Rettung von Verschütteten im Berg. Meine Aufgabe war es, Gottesdienste durchzuführen und als Pfarrer mit den Soldaten zu sprechen. Dabei ging es natürlich auch immer wieder um den Ernstfall und die damit verbundene psychologische Belastung. Was hält das Leben nach einem atomaren Inferno bereit, dem die Familienmitglieder zum Opfer gefallen sind. Die Frage, warum überlebe ich, die Familie nicht, bedrückte viele. Für mich habe ich irgendwann beschlossen, dass ich nicht zu den Auserwählten gehören wollte, die im Bunker überleben sollten, was mit meiner Verlegung im Ernstfall zur Heimatschutzbrigade 54 ohnehin kein Thema war.

Die Übungen selbst gingen über drei Tage. Ich hatte den Luxus, allein auf einem Zimmer zu wohnen. Bei den Übernachtungen habe ich mich nicht so wohl gefühlt. Problematisch war für alle der Verlust des Zeitgefühls. Der Tag-Nachtrhythmus fehlte, das machte zu schaffen. Den Bunker an sich habe ich als gigantische Anlage in Erinnerung behalten, die absolut funktionell war. Die Ausstattung war einfach, aber sehr gepflegt. Die Sicherheitsstandards waren allgegenwärtig. Obwohl mir mehrere Sektionen zugänglich waren, konnte ich mich nicht frei bewegen. Und natürlich war auch ich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Normalerweise war für Militärpfarrer das Militärbischofsamt zuständig. Mein Einsatz war mit höheren Auflagen verbunden, für die das Innenministerium zuständig war.


Im Ernstfall den BGS holen

Foto: Sonderdienstanweisung,16. Mai 1994
Foto: Sonderdienstanweisung,16. Mai 1994

Die Bewachung der Dienststelle Marienthal erfolgte rund um die Uhr und war Aufgabe der Firma "Schutz- u. Streifendienst Hans Liebrich GmbH & Co. KG" aus Kaiserslautern. Leiter des Wachdienstes war bis Sommer 1998 Manfred Sassenhagen, ein Angestellter des Unternehmens, der diese Aufgabe Anfang 1987 übernommen hatte. Untergebracht war der Wachschutz im Obergeschoss des Eingangsbereiches West/Ost, der im vorderen Teil über eine Panzerverglasung den Blick auf den Bereich zwischen den Eingängen West/Ost und Ost/West freigab. Im hinteren Teil des Wachturms lagen die Büros. Zu den Aufgaben des Wachschutzleiters zählte nicht nur die äußere Sicherheit der Anlage, "ich war auch für die Ausbildung an den Waffen, Einstellungen und Personalüberprüfung zuständig, was auch die Entlassung einschloss." Über die Personalstärke und besondere Vorkommnisse an der Anlage darf der ehemalige Bundeswehrsoldat auch heute nicht sprechen, berichtet aber, "das ab und zu Demonstranten vor dem Haupteingang auftauchten. Dann hieß es kühlen Kopf bewahren, denn wir waren bewaffnet, hatten Hunde dabei und haben natürlich immer versucht, Konflikte ohne deren Einsatz zu lösen." Auch für Manfred Sassenhagen war der Dienst für die Sicherheit des Regierungsbunkers ein Stück normaler Alltag. "Dienstbeginn war morgens um halb acht, Ende um 17 Uhr. Ich bin dann ganz normal nach Hause gefahren."

Die von ihm unterzeichnete Sonderdienstanweisung vom 16. Mai 1994 hing noch während der Rückbauarbeiten im Wachturm. Ein vergessener Zeitzeuge, der Auskunft darüber gibt, wie der Alarmfall für die Bewacher aussah (im Wortlaut):

Sonderdienstanweisung 10/94

Betr.: Aushändigung von Ersatzschlüsseln in dringenden Fällen und nach Auslösung von Alarm

  1. Nach Dienstschluss sowie an Sonn- und Feiertagen ist in dringenden Fällen an berechtigte Personen (z.B. Sonderdienst der Dienstelle Marienthal) der/die benötigte/n Schlüssel aus dem verplombten Schlüsselkasten in der Wachzentrale auszuhändigen.
  2. Nach Auslösung von Alarm ist der Mot.-Streife (Bereitschaft/Ruhe) die mit Kfz nach Esch, Dorfplatz/Kirche zur Einweisung ortskundiger BGS-Verstärkung entsandt wird, der/die Schlüssel des/der Bauwerkes/Objektes zur Weitergabe an den BGS zu übergeben.
  3. In beiden Fällen ist die Übergabe und Rückgabe im Wachbuch (möglichst mit Namen) in roter Schrift festzuhalten! Nach Gebrauch ist/sind der/die Schlüssel wieder in den Schlüsselkasten einzuhängen. Am nächsten Arbeitstag der Dienststelle Marienthal ist dem Referat Sicherheit zu Dienstbeginn (zwecks Neuverplombung) Meldung zu erstatten.

Wartungsblätter erzählen Bunker-Geschichte

Foto: Wartungsblätter im Regierungsbunker

Wie genau die Wartungs- und Reparaturarbeiten an den technischen Anlagen im Regierungsbunker genommen wurden, zeigen die Eintragungen in die entsprechenden Kontrollblätter, die direkt an den Geräten angebracht waren. Exakt alle 18 Monate wurde beispielsweise dieser Elektromotor an einem Umluftventilator überprüft, gereinigt und gefettet. der erste Eintrag datiert vom 6. Juli 1982, der letzte vom 12. Juli 1997. Auch in der Zeit des Rückbaus liefen die Be- und Entlüftungsanlagen weiter. Damit dokumentiert die Wartungs- und Reparaturkarte die Einsatzbereitschaft dieses Anlagenteils über mehr als 20 Jahre.


Gerd Janning, zuständig für den Einbau des Fahrstuhls zum Verbindungstunnel:

Es war der ungewöhnlichste Auftrag, mit dem ich in meinem Berufsleben konfrontiert wurde, als ich 1967 für den Bau zweier Fahrstuhlanlagen im Regierungsbunker eingeteilt wurde. Die Aufzüge der Firma Schindler waren Teil eines 70 Meter tiefen "Treppenhauses", das die beiden Teile Ost und West über einen Tunnel verband. Da unten waren auch die Pumpenstationen für die Entwässerung untergebracht, die Tag und Nacht liefen. Das ungewöhnliche war nicht nur die Hauptfahrrichtung nach unten, auch dass der eigentliche Aufzug in einem endlosen Gewirr von Treppen und Zwischenabsätzen aus Gitterstahl montiert wurde, war mir bis dahin nicht untergekommen. Man konnte also von oben bis zur Sole in 70 Metern Tiefe durch die Gitter hindurchsehen - nichts für Leute mit Höhenangst. Über den Auftrag und die Installation als Sonderanfertigung wusste man im Vorfeld nur sehr wenig und wurde zum Schweigen verpflichtet. Nach dem Einbau wurde ich kurz vor Indienststellung der Anlage zur Reparatur am Aufzug West noch einmal in den Bunker geholt. Ein Sensor war kaputt - eine Kleinigkeit. Beeindruckend war allerdings die Dimension, die der Bunker inzwischen angenommen hatte.


Bernd Schröder, technischer Mitarbeiter und zuständig für die "Klappen und Verschlüsse", über den Bunker-Alltag:

Foto: Bernd Schröder

"Wir sind ganz normal morgens zur Arbeit gegangen. Um Viertel nach sieben fing man an. Wir haben uns im Bunker umgezogen, dann folgte eine kurze Lagebesprechung in der Kommandozentrale: Lagen Störungen an, wurden diese zuerst beseitigt, denn die hatten die Notwendigkeit 1. Anschließend begannen wir mit den Wartungsarbeiten, die täglich, wöchentlich, monatlich oder halbjährlich anfielen."

 

 

 


Paul Groß, technischer Leiter, über das Gerücht einer Tunnelverbindung nach Bonn:

Foto: Paul Groß

"Da hat mal irgendwann jemand erzählt, dass es eine direkte Verbindung zum Hardtberg gibt. Nur gibt es hier in Dernau eine Weinbergslage Hardtberg, unter der ein Teil des Bunkers liegt. Und schon war das Gerücht da, das sich bis heute hartnäckig hält." 

 

 

 

   


Aus dem Dienstbuch, in dem alle Wartungsarbeiten und besondere Vorkommnisse minutiös vermerkt werden mussten:

Arbeitsunfall und anschließender Arztbesuch nach Angriff durch Bienenvolk bei Wartungsarbeiten im Außenbereich BW Ost/West. Mehrere Stiche, die ärztlich versorgt wurden.


Walter Mies, Polier in der Bauzeit von 1960 bis 1972, über die Bauarbeiten im Regierungsbunker:

Foto: Walter Mies
Foto: Walter Mies

"Die Seitengänge wurden gesprengt. Dann kam Sicherungsbeton drüber, anschließend Profilbeton und dann kamen wir mit der Kunstharzbeschichtung. Anschließend kam der statische Beton. Wir haben fünf Tonnen Harz jede Woche verspritzt, in Tag- und Nachtschichten. (...) Nachdem wir im Bauteil Ost fertig waren, ging es in West weiter. Ich musste noch einmal für Arbeiten zurück nach Ost. Dabei sind wir mit der Kamera verfolgt worden - von vorne bis in alle Winkel des Bunkers. Und weil ich wusste, wo die Kameras hingen, habe ich von hinten eine Schaufel davor gehalten. Es dauerte drei, vier Sekunden, dann gingen alle Tore zu. Später wurden wir vom BKA wieder rausgeholt ..."


Henning Wiesner, Hauptmann bei den Bonner Feldjägern, über die militärischen Übungen im Bunker und das Startszenario des 3. Weltkrieges:

Foto: Henning Wiesner
Foto: Henning Wiesner

"Wir waren für die innere Sicherheit des Bunkers während der Übungen zuständig. Diese liefen immer nach einem festen Szenario ab: Es kriselt in Jugoslawien. Das konnte der Ostblock nicht einfach hinnehmen und marschierte in Jugoslawien ein. Der Westen hielt dagegen. So entwickelte sich aus einem regionalen Konflikt die Auseinandersetzung zwischen Ost und West mit allen Konsequenzen und allen Waffengattungen." 

 

 

 


Kunst im Bau:

Foto: Bayrische Dorfidylle an einer Bunkerwand
Foto: Bayrische Dorfidylle an einer Bunkerwand

Nicht alle Teile des Bunkers waren den technischen Mitarbeitern zugänglich. Jeder wusste nur da Bescheid, wo er eingesetzt wurde. So waren die Unterkunftsräume des Bundesgrenzschutzes tabu. Das änderte sich mit der Außerdienststellung im Dezember 1997. Überrascht waren die Mitarbeiter über ein Gemälde an der runden Tunnelwand im Bauwerk Ost: Ein "künstlerischer" Grenzschützer hatte ein riesiges Alpenpanorama in der Unterkunft kreiert und so ein Stück "heile Welt" mit in die Zufluchtsstatt im Falle eines atomaren Szenarios genommen.


Klaus-Joachim Peter, Bundeswehr-Fernmelder, über die militärischen Übungen:

"Wir kamen mit dem Bus zum Bunker. Nach der Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz ging es durch ein großes Loch in den Berg hinein zu den Unterkünften. Die Größe des Bunkers war für uns alle sehr beeindruckend. Von der Unterkunft zu den Funktionseinheiten mussten wir einen Kilometer durch den Berg laufen. Dienst hatte ich immer von 0 Uhr nachts bis 12 Uhr mittags. In dieser Zeit haben wir auch immer wieder mal die Telefonverbindung für private Zwecke gebraucht. Ich habe mehrfach meine Freundin angerufen, was ich zwar offiziell nicht durfte, was wir aber alle gemacht haben ..."


Ralf Wimmer, Bundeswehr-Fernmelder, über das Leben im Bunker während der militärischen Übungen:

Foto: Ralf Wimmer
Foto: Ralf Wimmer

Die Luft war schlecht. Es gab unbegrenzt kostenlos Trinkwasser, was bei der Bundeswehr immer ein Zeichen für schlechte Luft ist. Einige hatten außerdem Probleme mit der Enge. Manch einer bekam einen Bunkerkoller - vielleicht, weil er wirklich Probleme mit dem Leben in einem Tunnel hatte, vielleicht aber auch, weil er einfach nur raus wollte.