Adenauers Anschluss |
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Dienstag, 13. Januar 2009 | |
Zurück auf der Bühne des Kalten Krieges: Der Postbunker in Staffel
![]() Zugang zum Post-Bunker Staffel, über den der heiße Draht des Kanzlers im Ernstfall sichergestellt wurde (und der heute Übungsgelände der Feuerwehr ist). Die Zugluft trägt den Geruch von Linoleum durch den Berg. Am schwarzen Brett flattert ein vergilbtes Fax: Neue Tarifverträge der Deutschen Telekom zum 1.1.1993. Auf einem langen Gang flackert einsam eine Neonleuchte vor sich hin und wirft ihr zittriges Licht auf den Schriftzug „Essenausgabe“. Gekocht wird zwar schon lange nicht mehr in der „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“, doch die weltkriegsfeste, unterirdische Telefonvermittlung des Regierungsbunkers im kleinen Eifelort Staffel ist heute weit mehr „Bunker“ als das Flaggschiff in Marienthal. Für den Regierungsbunker in die Welt gesetzt, sorgte der knapp sieben Kilometer entfernte „Postbunker“ für den direkten Draht in alle Himmelsrichtungen. Allein, aus dem Schatten des großen Regierungsbunkers ist der kleine Ableger nie herausgetreten. Dazu passt auch, das die Post ihre geheime Vermittlungsstelle bereits räumte, als noch niemand über ein Ende des „Ausweichsitzes der Verfassungsorgane“ sprach.
![]() Fernmeldetechnik in der Sonderbetriebsstelle Kesseling 0 (im Bild die Ortsvermittlungsstelle), wie sie bis 1996 im sogenannten Post-Bunker eingebaut war. Doch wurden bereits 1996 die Schaltschränke, die Handvermittlungsplätze mitgenommen, Anlagen abgebaut, stand ein Rückbau des Baukörpers nie auf der Post-Agenda. So wurde auf der Bühne des Kalten Krieges eine wertvolle Requisite zurückgelassen: Ein weitestgehend erhaltener Bunkerkomplex, der mit seinen Räumen, Türen, Gängen und verbliebenen Einrichtungsgegenständen erzählt, wofür er einst geschaffen wurde. In Zusammenarbeit mit ehemaligen Mitarbeitern der Sonderbetriebsstelle und gestützt auf einen Bestand im Bundesarchiv, Koblenz, gibt es jetzt erstmals tiefere Einblicke hinter die Fernmeldekulissen rund um den Kriegssitz der Bundesregierung. Wie alles begann
![]() Der gleiche Raum wie im Bild oben, nur nach der Räumung 1996. Der Post-Bunker wurde entgegen erster Überlegungen nicht rückgebaut und ist heute als unterirdische Anlage erhalten. Ausgebaut wurde die gesamte Technik.
1958. Es ist der 1. Dezember, ein Montag. Bundeskanzler Konrad Adenauer informiert sich als Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates, wie seine Evakuierungsplanung für den Ernstfall ausfällt. Gerade mit den frischen Eindrücken des Berlin-Ultimatums, vor wenigen Tagen durch die Sowjet-Führung um Nikita Chruschtschow ausgesprochen, kommt Schwung in den Kalten Krieg. Mit Adenauer sitzen Minister wie Franz Josef Strauß, Gerhard Schröder oder Ludwig Erhard im abhörsicheren Besprechungsraum des Bundeskanzleramtes und hören, was die Experten des Innenministeriums vorbereitet haben. Ihr Plan: Eine Evakuierung in die Eifel. „Als Standort der Befehlsstelle ist von Herrn Bundeskanzler auf gemeinsamen Vorschlag der Bundesminister für Verteidigung (Franz Josef Strauß) und des Innern (Dr. Gerhard Schröder) das Eifel-Rand-Gebiet (Raum Mayen/Ahrtal) bestimmt worden. Fernmeldemäßig kann dieser Standort nach zwei Seiten, und zwar auf den leistungsfähigen Fernmeldeknotenpunkt Mayen und auf die Fernmeldeeinrichtungen im Raum Euskirchen abgestützt werden. Die dafür notwendigen Querverbindungskabel werden derzeit von der Bundespost beschafft, so dass mit Frühjahrsbeginn ihre Verlegung in Angriff genommen werden kann.“
![]() 1.12.1958. Konrad Adenauer informiert sich als Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates über seine Evakuierung im Kriegsfall. Längst steht fest: Von Mayen nach Euskirchen soll eine neue Fernmeldeverbindung der Superlative durch die Post verlegt werden, auf die in Staffel ein ganzer Bunker als Vermittelungsstelle gesetzt wird. Die Mitschrift des Vortrages, wie ihn Konrad Adenauer hört, wird anschließend unter „Geheim“ für fast ein halbes Jahrhundert aus dem Verkehr gezogen. 1960. Die von der Bundespost zugesagten Querverbindungskabel von Mayen nach Euskirchen liegen größtenteils unter heimischer Erde. Genau auf der Hälfte dieser Strecke schlummert ein wahrlich vergessener Flecken Eifel jener Zeit. In Orten wie Kesseling oder Staffel ist weder die Weltpolitik zu Hause noch sind Adenauer, Strauß oder Schröder vordergründig an diesen Eifel-Dörfern interessiert. Hintergründig schon. Das verraten schwere Baumaschinen, die sich im geheimen Auftrag der Bundesregierung auf den Weg in dieses verträumte Tal südlich der Ahr machen. Sie graben einen Berg an, der Luftlinie gerade einmal sechseinhalb Kilometer von der Stelle entfernt liegt, wo in Marienthal die Bauleitung in diesem Frühjahr 1960 ihre Baracke aufstellt, um einen Regierungsbunker von gigantischem Ausmaß zu errichten. Kein Anschluss in die Vergangenheit2005. Im November gibt ein unglaublicher Aktenbestand des Bundes Einblick in jenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Das Bundesarchiv, Koblenz, gibt die bisher geheimen Unterlagen des Bundesinnenministeriums frei, die sich ab 1950 mit der Evakuierung der Bundesregierung beschäftigen. Darunter ist auch das Protokoll der Sitzung des Bundesverteidigungsrates vom 1. Dezember 1958. Sofort wird dieser Bestand durch das Bundesarchiv als „erhaltenswürdig“ klassifiziert und bleibt damit auf unbestimmte Zeit der deutschen Nachwelt erhalten.
![]() Schwieriger Weg in die Bunker-Vergangenheit: Über den Verbleib der Unterlagen zur Sonderbetriebsstelle Kesseling ist heute nichts bekannt. Bisher gab es kaum Hintergrundinformationen zur Anlage, zu denen es nun Dank der Hilfe ehemaliger Mitarbeiter erstmals Zugang gibt (im Bild der Stollen des Notausganges). Etwas schwieriges gestaltet sich die Suche nach den Unterlagen, die erzählen, was in jenem Jahr 1960 in Orten wie Kesseling und Staffel geschah. Auch hier wurde ein Bunker der Superlative gebaut, der sehr direkt etwas mit Deutschlands Bunker Nummer eins für die Regierung zu tun hatte. Über diese unterirdische Festung sollten u.a. die Gespräche von Adenauer, Strauß, Schröder oder Erhard laufen, würden sie im Krieg mit jemanden telefonieren wollen. In Staffel sitzt quasi die freundliche Stimme der Vermittlung im Auftrag der Bundespost. Doch die hat die archivarische Verbindung in die Neuzeit abgewürgt und alle Unterlagen nach der 30-jährigen Sperrfrist im zuständigen Ministerium vernichtet. So düst der entsprechende Bunker ohne handfeste Vita Richtung Zukunft. 2008. Mit schwerem Atemschutzgerät arbeiten sich Feuerwehrleute aus Heckenbach durch den Post-Bunker im Berg östlich von Staffel. Lüften. Die Natur hilft mit. Als die Türen am Haupteingang und dem Fluchtweg für den Notfall offen stehen, zieht es auf gut 500 Bunkermetern. Eine Note von Linoleum macht sich überall breit, am schwarzen Brett zappelt das vergilbte Fax der Telekom. Viel Luftwiderstand gibt es nicht, denn die Räume sind leer. Adenauers Telefonvermittlung ist geräumt. Und doch erzählt sie heute als toter Anschluss reihenweise Geschichten über die Zeit damals, nach dem 1. Dezember 1958 und über das, was kam. Nicht nur hier, im Post-Bunker ...
![]() Hauptzugang zum Post-Bunker, der von 1960 bis 1963 im Nachbartal des Regierungsbunkers gebaut wurde. Denn während in Marienthal 1960 ein Baustopp eingelegt wird und die Stunde der Neuplanung schlägt, sind in Staffel längst alle Bunkerweichen gestellt. Die benötigten Grundstücke sind besorgt, die Planungen für die Anlage (Hausherr ist das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen) abgeschlossen. Und so wird, wie es auch für den großen Bunkerbruder zwischen Dernau und Ahrweiler vorgesehen war, in natürlichem Fels bergmännisch eine Bunkeranlage aufgefahren, betoniert und mit reichlich Technik vollgestopft. Staffels Postbunker geht onlineIm Frühjahr 1963 ist die Anlage einsatzbereit. Zu diesem Zeitpunkt kann man wenige Kilometer weiter nördlich allenfalls von einem Regierungsbunker träumen. Es gibt sogar geheime Überlegungen, den Bunkerbauplatz in Marienthal ganz aufzugeben und südlich noch einmal von vorne zu beginnen. Doch selbst dann wäre Staffel und seine verbunkerte Fernmeldeanbindung ein idealer Standort – dank zentraler Lage in einem abgelegenen Seitental.
![]() Die beiden Drucktore am inneren Zugang zur außergewöhnlichen Betriebsstelle der Deutschen Bundespost. Etwas anders dimensioniert als die MAN-Haupttore des Regierungsbunkers, war der Post-Bunker auch nur für einen autarken Betrieb von 14 Tagen ausgelegt. In dem verschwinden ab 1963 am Ortsende von Staffel täglich Fernmeldespezialisten im Berg. Hinter einem mehr oder weniger unscheinbaren zweigeschossigen Wohnhaus und vor neugierigen Blicken von der Straße durch dieses geschützt, liegt der Bunkerzugang zur „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“ – so die amtsdeutsche Bezeichnung für den wichtigen Knotenpunkt in einem umfangreichen Fernmeldenetz. Alles eine Nummer kleiner als im Regierungsbunker, hat man auf schwere Tore am Zugang verzichtet. Immerhin ist die Anlage mit dem gleichen Schutzgrad S9 versehen. Nach 120 Metern Zugangsstollen, dem obligatorischen Knick im Gang der eindringende Druckwellen brechen soll, präsentiert sich dann Deutschlands Top-Telefonzentrale für den Kriegsfall. Zweietagig im Format 97 mal 35 Meter, in dessen Zentrum ein Kern aus massivem Fels erhalten blieb um dem Bunkersystem mehr Stabilität zu geben. Quasi im Kreisverkehr liegen die Räume um diese rechteckige Felssäule – von den Unterkünften (mit 118 Betten in 12 Zimmern), Küche, Stromversorgung, Wasserwerk über das Herzstück der Anlage im Obergeschoss. Hier wurde auf einer Breite von 10 Metern und 60 Metern Länge die Vermittlungstechnik eingebaut.
![]() Kabelausgänge am Außenbauwerk 194 (Bunte Kuh) des Regierungsbunkers (während der Bauzeit 1964). Ein ganzer Fächer von Telefonkabeln ging vom Ausweichsitz der Verfassungsorgane Richtung Süden ab und sollte selbst beim Ausfall einiger Verbindungen für ein sicheres Kommunikationsnetz über den Post-Bunker in Staffel sorgen. Was sie schließlich mit der Fertigstellung des Regierungsbunkers aufnimmt, ist ein ganzer Fächer von Fernmeldeleitungen aus dem Norden. Aus Sicherheitsgründen hat der Bund gleich mehrere Kabelstränge auf verschiedenen Routen aus dem Mutterschiff an der Ahr Richtung Postbunker verlegt – immer in der Hoffnung, es bleibe wenigstens ein Nachrichtenweg funktionstüchtig, wenn es mal darauf ankommt. Von Staffel geht es dann in alle Welt. Einmal aktiviert, konnte u.a. von hier über 123 Ausnahmehauptanschlüsse die telefonische Notversorgung aller Bonner Ministerien sichergestellt werden. Ein großer Teil des Fernmeldenetzes des Regierungsbunkers lief durch den unterirdischen Fernnetzknoten der Bundespost in Staffel. Ein wahres Paradies für Technikfans, Neigung Fernmeldewesen. So waren 123 Anschlüsse der „DuWa Anlage III W (Durchwahl-Anlage)“ des Regierungsbunkers mit 45 gehenden, 58 kommenden und 20 wechselseitigen Anschlüssen angebunden, um den Fernsprechverkehr des Regierungsbunkers aufzunehmen, bzw. abzuführen. Darüber hinaus war in der unterirdischen Betriebsstelle auch die zivile Ortsvermittlungsstelle für das Ortsnetz Kesseling mit der Vorwahl 02647 untergebracht wie auch eine Verstärkerstelle und eine handbetriebene Vermittlungsstelle.
![]() Bunkeralltag. Auch eine unterirdische Waschküche zählte zur Einrichtung des Post-Bunkers. Es gab direkte Verbindungen sogar nach Brüssel, Oslo oder Rom, über die alle wichtigen NATO-Quartiere telefonisch erreicht werden konnten. Die nach Rom, so erzählen die Fernmeldespezialisten aus Staffel noch heute, war allerdings eine Leitung mit Tücken, denn die Italiener nahmen es mit der Entstörung nicht so genau. So erinnerte diese Verbindung in ihrer Qualität an die Erfinderjahre der Telefoniererei. „Der Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar“ – eine solche Ansage sollte es in Staffel niemals geben. So war im Post-Bunker auch die übergeordnete Vermittlungsstelle des Fernmeldenotnetzes der Deutschen Bundespost untergebracht. Wie auch die rechnergestützte Telexpeichervermittlungsanlage ADX 6500, an die alle Oberpostdirektionen mit ihren Sicherheitsreferaten, die Landespostdirektion Berlin, das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, das Fernmeldetechnische Zentralamt mit seinem Ausweichsitz in Wörth, das Posttechnische Zentralamt und der Regierungsbunker angeschlossen waren. Eine Anlage, über die bei der letzten Wintex-Übung im Frühjahr 1989 rund 2500 Fernschreiben in 10 Tagen liefen. Eine Belastungsprobe für die damals hochmoderne Technik, die nie wieder eintrat, denn anschließend war Schluss mit den Kriegsspielen. "Meine Damen und Herren, es spricht nun zu Ihnen der Herr Bundeskanzler!"
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