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Dienstag, 13. Januar 2009

Zurück auf der Bühne des Kalten Krieges: Der Postbunker in Staffel

Zugang zum Post-Bunker Staffel, über den der heiße Draht des Kanzlers im Ernstfall sichergestellt wurde (und der heute Übungsgelände der Feuerwehr ist).

Die Zugluft trägt den Geruch von Linoleum durch den Berg. Am schwarzen Brett flattert ein vergilbtes Fax: Neue Tarifverträge der Deutschen Telekom zum 1.1.1993. Auf einem langen Gang flackert einsam eine Neonleuchte vor sich hin und wirft ihr zittriges Licht auf den Schriftzug „Essenausgabe“. Gekocht wird zwar schon lange nicht mehr in der „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“, doch die weltkriegsfeste, unterirdische Telefonvermittlung des Regierungsbunkers im kleinen Eifelort Staffel ist heute weit mehr „Bunker“ als das Flaggschiff in Marienthal.

Für den Regierungsbunker in die Welt gesetzt, sorgte der knapp sieben Kilometer entfernte „Postbunker“ für den direkten Draht in alle Himmelsrichtungen. Allein, aus dem Schatten des großen Regierungsbunkers ist der kleine Ableger nie herausgetreten. Dazu passt auch, das die Post ihre geheime Vermittlungsstelle bereits räumte, als noch niemand über ein Ende des „Ausweichsitzes der Verfassungsorgane“ sprach.

Fernmeldetechnik in der „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“ (im Bild die Ortsvermittlungsstelle), wie sie bis 1996 im sogenannten Post-Bunker eingebaut war.

Doch wurden bereits 1996 die Schaltschränke, die Handvermittlungsplätze mitgenommen, Anlagen abgebaut, stand ein Rückbau des Baukörpers nie auf der Post-Agenda. So wurde auf der Bühne des Kalten Krieges eine wertvolle Requisite zurückgelassen: Ein weitestgehend erhaltener Bunkerkomplex, der mit seinen Räumen, Türen, Gängen und verbliebenen Einrichtungsgegenständen erzählt, wofür er einst geschaffen wurde. In Zusammenarbeit mit ehemaligen Mitarbeitern der Sonderbetriebsstelle und gestützt auf einen Bestand im Bundesarchiv, Koblenz, gibt es jetzt erstmals tiefere Einblicke hinter die Fernmeldekulissen rund um den Kriegssitz der Bundesregierung.

Wie alles begann

Der gleiche Raum wie im Bild oben, nur nach der Räumung 1996. Der Post-Bunker wurde entgegen erster Überlegungen nicht rückgebaut und ist heute als unterirdische Anlage erhalten. Ausgebaut wurde die gesamte Technik.

1958. Es ist der 1. Dezember, ein Montag. Bundeskanzler Konrad Adenauer informiert sich als Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates, wie seine Evakuierungsplanung für den Ernstfall ausfällt. Gerade mit den frischen Eindrücken des Berlin-Ultimatums, vor wenigen Tagen durch die Sowjet-Führung um Nikita Chruschtschow ausgesprochen, kommt Schwung in den Kalten Krieg. Mit Adenauer sitzen Minister wie Franz Josef Strauß, Gerhard Schröder oder Ludwig Erhard im abhörsicheren Besprechungsraum des Bundeskanzleramtes und hören, was die Experten des Innenministeriums vorbereitet haben. Ihr Plan: Eine Evakuierung in die Eifel.

„Als Standort der Befehlsstelle ist von Herrn Bundeskanzler auf gemeinsamen Vorschlag der Bundesminister für Verteidigung (Franz Josef Strauß) und des Innern (Dr. Gerhard Schröder) das Eifel-Rand-Gebiet (Raum Mayen/Ahrtal) bestimmt worden. Fernmeldemäßig kann dieser Standort nach zwei Seiten, und zwar auf den leistungsfähigen Fernmeldeknotenpunkt Mayen und auf die Fernmeldeeinrichtungen im Raum Euskirchen abgestützt werden. Die dafür notwendigen Querverbindungskabel werden derzeit von der Bundespost beschafft, so dass mit Frühjahrsbeginn ihre Verlegung in Angriff genommen werden kann.“

1.12.1958. Konrad Adenauer informiert sich als Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates über seine Evakuierung im Kriegsfall. Längst steht fest: Von Mayen nach Euskirchen soll eine neue Fernmeldeverbindung der Superlative durch die Post verlegt werden, auf die in Staffel ein ganzer Bunker als Vermittelungsstelle gesetzt wird.

Die Mitschrift des Vortrages, wie ihn Konrad Adenauer hört, wird anschließend unter „Geheim“ für fast ein halbes Jahrhundert aus dem Verkehr gezogen.

1960. Die von der Bundespost zugesagten Querverbindungskabel von Mayen nach Euskirchen liegen größtenteils unter heimischer Erde. Genau auf der Hälfte dieser Strecke schlummert ein wahrlich vergessener Flecken Eifel jener Zeit. In Orten wie Kesseling oder Staffel ist weder die Weltpolitik zu Hause noch sind Adenauer, Strauß oder Schröder vordergründig an diesen Eifel-Dörfern interessiert. Hintergründig schon. Das verraten schwere Baumaschinen, die sich im geheimen Auftrag der Bundesregierung auf den Weg in dieses verträumte Tal südlich der Ahr machen. Sie graben einen Berg an, der Luftlinie gerade einmal sechseinhalb Kilometer von der Stelle entfernt liegt, wo in Marienthal die Bauleitung in diesem Frühjahr 1960 ihre Baracke aufstellt, um einen Regierungsbunker von gigantischem Ausmaß zu errichten.

Kein Anschluss in die Vergangenheit

2005. Im November gibt ein unglaublicher Aktenbestand des Bundes Einblick in jenes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Das Bundesarchiv, Koblenz, gibt die bisher geheimen Unterlagen des Bundesinnenministeriums frei, die sich ab 1950 mit der Evakuierung der Bundesregierung beschäftigen. Darunter ist auch das Protokoll der Sitzung des Bundesverteidigungsrates vom 1. Dezember 1958. Sofort wird dieser Bestand durch das Bundesarchiv als „erhaltenswürdig“ klassifiziert und bleibt damit auf unbestimmte Zeit der deutschen Nachwelt erhalten.

Schwieriger Weg in die Bunker-Vergangenheit: Über den Verbleib der Unterlagen zur Sonderbetriebsstelle Kesseling ist heute nichts bekannt. Bisher gab es kaum Hintergrundinformationen zur Anlage, zu denen es nun Dank der Hilfe ehemaliger Mitarbeiter erstmals Zugang gibt (im Bild der Stollen des Notausganges).

Etwas schwieriges gestaltet sich die Suche nach den Unterlagen, die erzählen, was in jenem Jahr 1960 in Orten wie Kesseling und Staffel geschah. Auch hier wurde ein Bunker der Superlative gebaut, der sehr direkt etwas mit Deutschlands Bunker Nummer eins für die Regierung zu tun hatte. Über diese unterirdische Festung sollten u.a. die Gespräche von Adenauer, Strauß, Schröder oder Erhard laufen, würden sie im Krieg mit jemanden telefonieren wollen. In Staffel sitzt quasi die freundliche Stimme der Vermittlung im Auftrag der Bundespost. Doch die hat die archivarische Verbindung in die Neuzeit abgewürgt und alle Unterlagen nach der 30-jährigen Sperrfrist im zuständigen Ministerium vernichtet. So düst der entsprechende Bunker ohne handfeste Vita Richtung Zukunft.

2008. Mit schwerem Atemschutzgerät arbeiten sich Feuerwehrleute aus Heckenbach durch den Post-Bunker im Berg östlich von Staffel. Lüften. Die Natur hilft mit. Als die Türen am Haupteingang und dem Fluchtweg für den Notfall offen stehen, zieht es auf gut 500 Bunkermetern. Eine Note von Linoleum macht sich überall breit, am schwarzen Brett zappelt das vergilbte Fax der Telekom. Viel Luftwiderstand gibt es nicht, denn die Räume sind leer. Adenauers Telefonvermittlung ist geräumt. Und doch erzählt sie heute als toter Anschluss reihenweise Geschichten über die Zeit damals, nach dem 1. Dezember 1958 und über das, was kam. Nicht nur hier, im Post-Bunker ...

Hauptzugang zum Post-Bunker, der von 1960 bis 1963 im Nachbartal des Regierungsbunkers gebaut wurde.
Hauptzugang zum Post-Bunker, der von 1960 bis 1963 im Nachbartal des Regierungsbunkers gebaut wurde.

Denn während in Marienthal 1960 ein Baustopp eingelegt wird und die Stunde der Neuplanung schlägt, sind in Staffel längst alle Bunkerweichen gestellt. Die benötigten Grundstücke sind besorgt, die Planungen für die Anlage (Hausherr ist das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen) abgeschlossen. Und so wird, wie es auch für den großen Bunkerbruder zwischen Dernau und Ahrweiler vorgesehen war, in natürlichem Fels bergmännisch eine Bunkeranlage aufgefahren, betoniert und mit reichlich Technik vollgestopft.

Staffels Postbunker geht online

Im Frühjahr 1963 ist die Anlage einsatzbereit. Zu diesem Zeitpunkt kann man wenige Kilometer weiter nördlich allenfalls von einem Regierungsbunker träumen. Es gibt sogar geheime Überlegungen, den Bunkerbauplatz in Marienthal ganz aufzugeben und südlich noch einmal von vorne zu beginnen. Doch selbst dann wäre Staffel und seine verbunkerte Fernmeldeanbindung ein idealer Standort – dank zentraler Lage in einem abgelegenen Seitental.

Die beiden Drucktore am inneren Zugang zur außergewöhnlichen Betriebsstelle der Deutschen Bundespost. Etwas anders dimensioniert als die MAN-Haupttore des Regierungsbunkers, war der Post-Bunker auch nur für einen autarken Betrieb von 14 Tagen ausgelegt.

In dem verschwinden ab 1963 am Ortsende von Staffel täglich Fernmeldespezialisten im Berg. Hinter einem mehr oder weniger unscheinbaren zweigeschossigen Wohnhaus und vor neugierigen Blicken von der Straße durch dieses geschützt, liegt der Bunkerzugang zur „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“ – so die amtsdeutsche Bezeichnung für den wichtigen Knotenpunkt in einem umfangreichen Fernmeldenetz.

Alles eine Nummer kleiner als im Regierungsbunker, hat man auf schwere Tore am Zugang verzichtet. Immerhin ist die Anlage mit dem gleichen Schutzgrad S9 versehen. Nach 120 Metern Zugangsstollen, dem obligatorischen Knick im Gang der eindringende Druckwellen brechen soll, präsentiert sich dann Deutschlands Top-Telefonzentrale für den Kriegsfall. Zweietagig im Format 97 mal 35 Meter, in dessen Zentrum ein Kern aus massivem Fels erhalten blieb um dem Bunkersystem mehr Stabilität zu geben. Quasi im Kreisverkehr liegen die Räume um diese rechteckige Felssäule – von den Unterkünften (mit 118 Betten in 12 Zimmern), Küche, Stromversorgung, Wasserwerk über das Herzstück der Anlage im Obergeschoss. Hier wurde auf einer Breite von 10 Metern und 60 Metern Länge die Vermittlungstechnik eingebaut.

Kabelausgänge am Außenbauwerk 194 (Bunte Kuh) des Regierungsbunkers (während der Bauzeit 1964). Ein ganzer Fächer von Telefonkabeln ging vom Ausweichsitz der Verfassungsorgane Richtung Süden ab und sollte selbst beim Ausfall einiger Verbindungen für ein sicheres Kommunikationsnetz über den Post-Bunker in Staffel sorgen.

Was sie schließlich mit der Fertigstellung des Regierungsbunkers aufnimmt, ist ein ganzer Fächer von Fernmeldeleitungen aus dem Norden. Aus Sicherheitsgründen hat der Bund gleich mehrere Kabelstränge auf verschiedenen Routen aus dem Mutterschiff an der Ahr Richtung Postbunker verlegt – immer in der Hoffnung, es bleibe wenigstens ein Nachrichtenweg funktionstüchtig, wenn es mal darauf ankommt.

Von Staffel geht es dann in alle Welt. Einmal aktiviert, konnte u.a. von hier über 123 Ausnahmehauptanschlüsse die telefonische Notversorgung aller Bonner Ministerien sichergestellt werden. Ein großer Teil des Fernmeldenetzes des Regierungsbunkers lief durch den unterirdischen Fernnetzknoten der Bundespost in Staffel. Ein wahres Paradies für Technikfans, Neigung Fernmeldewesen. So waren 123 Anschlüsse der „DuWa Anlage III W (Durchwahl-Anlage)“ des Regierungsbunkers mit 45 gehenden, 58 kommenden und 20 wechselseitigen Anschlüssen angebunden, um den Fernsprechverkehr des Regierungsbunkers aufzunehmen, bzw. abzuführen. Darüber hinaus war in der unterirdischen Betriebsstelle auch die zivile Ortsvermittlungsstelle für das Ortsnetz Kesseling mit der Vorwahl 02647 untergebracht wie auch eine Verstärkerstelle und eine handbetriebene Vermittlungsstelle.

Bunkeralltag. Auch eine unterirdische Waschküche zählte zur Einrichtung des Post-Bunkers.

Es gab direkte Verbindungen sogar nach Brüssel, Oslo oder Rom, über die alle wichtigen NATO-Quartiere telefonisch erreicht werden konnten. Die nach Rom, so erzählen die Fernmeldespezialisten aus Staffel noch heute, war allerdings eine Leitung mit Tücken, denn die Italiener nahmen es mit der Entstörung nicht so genau. So erinnerte diese Verbindung in ihrer Qualität an die Erfinderjahre der Telefoniererei.

„Der Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar“ – eine solche Ansage sollte es in Staffel niemals geben. So war im Post-Bunker auch die übergeordnete Vermittlungsstelle des Fernmeldenotnetzes der Deutschen Bundespost untergebracht. Wie auch die rechnergestützte Telexpeichervermittlungsanlage ADX 6500, an die alle Oberpostdirektionen mit ihren Sicherheitsreferaten, die Landespostdirektion Berlin, das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, das Fernmeldetechnische Zentralamt mit seinem Ausweichsitz in Wörth, das Posttechnische Zentralamt und der Regierungsbunker angeschlossen waren. Eine Anlage, über die bei der letzten Wintex-Übung im Frühjahr 1989 rund 2500 Fernschreiben in 10 Tagen liefen. Eine Belastungsprobe für die damals hochmoderne Technik, die nie wieder eintrat, denn anschließend war Schluss mit den Kriegsspielen.

"Meine Damen und Herren, es spricht nun zu Ihnen der Herr Bundeskanzler!"

Fernsehstudio des Westdeutschen Rundfunks im Regierungsbunker (Bauwerk 21): Von hier konnte sich der Bundeskanzler live an die kriegsgeplagte Bevölkerung wenden. Über den Postbunker ging das Signal zu einem Sendemast auf dem Steiner Berg, von dort per Richtfunk zum Sendemast Weibern 2, dann bereits in einer technisch für das Fernsehen aufgearbeiteten Übertragungsform zum WDR-Studio nach Köln. Die Sendeanstalt hatte – natürlich – auch ein Bunker-Studio, das direkt gegenüber des Kölner Doms lag.

Doch nicht nur im Berg liegt ein wahres Kommunikations-Paradies. Auch oberirdisch machte die Bundespost mit ihrem Auftrag, einer verbunkerten Regierung die Telefonnetze offen zu halten, auf sich aufmerksam. So steht mitten auf dem Steiner Berg ein weithin nicht zu übersehender Sendemast, die Betriebsstelle Kesseling 1, der u.a. eine Richtfunkverbindung zum THW 3 in Kirspenich sicherstellte. Ebenso wurden dort die Bild- und Tonsignale aus dem Fernsehstudio des Regierungsbunkers (im Bauwerk 21) verstärkt und weitergeleitet an den Sendemast der Funkübertragungsstelle Weibern 2. Von dort wären die Ansprachen von Kohl & Co. an die kriegsgeplagte Bevölkerung über das MOD-Netz (Modulations-Netz) gegangen, wie es auch die Sendeanstalten zum Austausch von Nachrichtenbeiträgen nutzen, schließlich auf direktem Wege und live ins heimische Wohnzimmer.

Sendemast auf dem Steiner Berg, der unter dem Namen „Sonderbetriebsstelle Kesseling 1“ firmierte. Von hier wurden Nachrichten per Richtfunk übertragen, so zur Polizeihauptfunkstelle des Bundesinnenministeriums in Kirspenich (THW 3), direkt zu den Bonner Ministerien wie auch Fernsehansprachen aus dem Regierungsbunker zur Kölner WDR-Zentrale.

Finanziell lässt sich die Deutsche Bundespost ihren Fernmeldeauftrag für den Ernstfall einiges kosten. Der Bunkerbau zu Staffel schlägt mit 17,8 Mio. DM (1963) zu Buche – umgerechnet auf heutige Finanzwerte rund 85 Mio. Euro. Hinzu kommen 25 Mio. DM für den Aufbau der Fernmeldetechnik im Flagschiff (Hauptzentrale im Bauwerk 20 „Bad N´ahr 1“ mit 123 Hauptanschlüssen und 1.700 geschalteten Nebenstellen; handbetriebene Vermittlungsstelle mit 200 Leitungen bei 22 Bedienplätzen; Unterzentrale im Bauwerk 40 „Bad N´ahr 3“; Wert 2008 ca. 125 Mio. Euro).

Teure Telefonabrechnung: eine halbe Milliarde Euro verbaut

Die jährlichen Aufwendungen für die Bereitstellung der Nachrichtentechnik schlagen mit 11,8 Mio. DM (ermittelt 1994) zu Buche. Nicht eingerechnet die Wartungen und Modernisierungen aus 30 Bunkerjahren in Staffel wie auch die Personalkosten für 24 Mitarbeiter, addiert sich der Kontostand auf sagenhafte 479 Mio. Euro! Und das alles für den Fall, dass man es einmal wirklich gebrauchen könnte ...

Doch dann wäre bereits nach 14 Tagen Feierabend in Staffels geheimer Unterwelt gewesen. Im Gegensatz zum Ausweichsitz der Bundesregierung war dieser Bunker nur für eine zweiwöchige autarke Versorgung unter Kriegsbedingungen ausgelegt.

Geschirrabgabe (links) und Essenausgabe (rechts) in Staffel: Nahrungsmittel und Betriebsstoffe für 14 Tage.

Der Bund notiert zu diesem Widerspruch: „Es lässt sich unter Umständen damit erklären, dass der Nutzer davon ausging, dass nach Ausfall der kabelabhängigen Vermittlungstechnik mit dem Kurzwellenfunknetz des BMI noch ein zweites Übertragungsmedium betrieben werden konnte.“

Der Haken an dieser Auslegung: Über dieses Funknetz hätte man nicht die entscheidenden militärischen Führungsstellen erreichen können – weder die der Bundeswehr, noch die der NATO. Und auch die Verbindungen Richtung Ausweichsitze der Bundesländer wären dann tot gewesen. Fazit: Im Regierungsbunker hätte man eventuell vier Wochen überlebt, doch selbst im besten Falle nach 14 Tagen die Aufgabe einer Koordinierungsstelle wegen stark eingeschränkter oder ganz fehlender Fernmeldeverbindungen aufgeben müssen.

Eines von 12 Unterkunftszimmern, in denen es jeweils neun Betten gab.
Eines von 12 Unterkunftszimmern, in denen es jeweils neun Betten gab.

Ein Szenario, das „nur“ für den konventionellen Krieg galt. Atomar wäre der Postbunker - wie auch sein Mutterschiff – dank fehlenden Schutzes gegen den elektromagnetischen Impuls direkt ein Totalausfall gewesen.

Finale Klingelzeichen

Das Ende des Postbunkers signalisieren bereits 1993 drei markante Punkte: Das fehlende Feindbild, das fehlende Geld und eine geradezu revolutionäre Entwicklung der Fernmeldetechnik in den 90ern gegenüber der Bauzeit 1963. Glasfaserkabel und Digitaltechnik halten Einzug. Ortstypische Probleme in Staffel sind notwendige bauliche Aufrüstungen gegen Feuer und Sabotage. Die aber, so teilt das zuständige Post-Ministerium am 23. März 1993 der Bundespost-Generaldirektion mit, seien „nicht mehr zu rechtfertigen“.

Fernvermittlung im Regierungsbunker (im Bauwerk 20): Die mechanische Technik der Nachkriegsjahre war längst überholt, als 1993 beschlossen wird, die „Sonderbetriebsstelle Kesseling 0“ ersatzlos aufzugeben und den Regierungsbunker fernmeldetechnisch um Digitaltechnik aufzurüsten. Die platzsparende, leistungsstarke Technik sollte die Liegenschaft in Staffel technisch und personell ersetzen. Erste Glasfaserkabel durch den Regierungsbunker waren bereits verlegt, allein die Vermittlungstechnik blieb dem Staatsgeheimnis bis zu seiner Auflösung 1997 erhalten und wurde erst nach Dienstschluss 1998 ausgebaut.

Alternativ soll der Regierungsbunker mit einer neuen, digitalen Wählvermittlung ausgestattet werden, die an eine oberirdische und damit ungeschützte Knotenvermittlungsstelle (in Bad Neuenahr) angebunden werden soll. Der über 30 Jahre geforderte Mindestschutz einer Fernmeldeanbindung geht damit genauso verloren wie rund 1.200 Reserveübertragungswege der Bundespost ins gesamte Bundesgebiet oder die bunkerseitig abgestützten Ausnahmehauptanschlüsse der Ministerien. In der Summe kommt es der Aufgabe eines sicherheitsrelevanten Gesamtkonzeptes des Ausweichsitzes der Verfassungsorgane gleich. Das sieht auch der Bund in internen Gutachten so.

Und doch beschließen die Ministerien des Innern, für Post und Telekommunikation, der Verteidigung und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau nach mehreren Besprechungen im Jahr 1993: Die „Sonderbetriebsstelle 0“ in Kesseling wird ersatzlos aufgegeben. Ein fader Beigeschmack für den Regierungsbunker: Nur mit umfangreichen Modernisierungen und Umbauten der Fernmeldetechnik ist man wirklich einsatzbereit – für welchen Ernstfall auch immer. Doch die dringend notwendigen Arbeiten hängen in der Warteschleife.

In Staffel weiß noch niemand etwas von der Bonner Entscheidung. Stattdessen verkündet am 18. Juni 1993 die Bonner Zentrale per Fax eine fünfprozentige Lohnerhöhung. Für die Mitarbeiter der unterirdischen Anlage sind es die besseren Tage. Die schlechten folgen 1996 mit der Schließung – drei Jahre, nach den Besprechungen der verantwortlichen Bonner Ministerien hinter verschlossenen Türen. Doch entgegen einer ersten Empfehlung wird der Postbunker nicht rückgebaut. Über Wochen werden die technischen Gerätschaften durch die Bunkertore gekarrt, darunter auch die U-Boot-Diesel für die Notstromerzeugung. Dann kehrt Ruhe ein in der Staffeler Unterwelt.

„Der Turm ist nackt!“. Die Übertragungsstelle „Weibern 2“ (rechter Turm) neben der Straße von der Autobahnausfahrt Wehr Richtung Nürburgring. Experten aus Staffel sehen heute ganz genau, welche Richtfunkantennen mit der Aufgabe ihres Arbeitsplatzes vom Turm verschwunden sind und unmittelbar dem Übertragungsnetz des Regierungsbunkers dienten. „Da war früher kein Platz mehr frei für eine weitere Richtfunkantenne!“

Und während sich die ehemaligen Mitarbeiter noch immer jährlich ein Mal zum Bunkertreff auf den Weg in eine Wirtschaft in der Eifel machen, übt die Freiwillige Feuerwehr von Heckenbach an deren ehemaligem Arbeitsplatz im Postbunker mit schwerem Atemschutzgerät und marschiert über eine verlassene Bühne des Kalten Krieges. Wer dann die Maske abnimmt, kann auch in sie hineinschnuppern. Es riecht nach Linoleum.

Für die freundliche Unterstützung bei den Recherchen geht ein herzlicher Dank an Udo Edinger (Leiter der Fernmeldetechnik, Staffel), Johannes Wilms (Leiter Maschinen- und Haustechnik, Staffel), Manfred Koster (Leiter der Fernmeldetechnik im Ausweichsitz der Verfassungsorgane, Marienthal), Paul Wengenroth (Referent im Sicherheitsreferat der OPD Koblenz, zuständig für Staffel), Peter Bläser (techn. Mitarbeiter im Ausweichsitz der Verfassungsorgane, Marienthal), das Bundesarchiv, Koblenz sowie die Freiwillige Feuerwehr Heckenbach.

Einen Übersichtsplan zum Aufbau der "Sonderbetriebsstelle Kesseling 0" gibt es unter der Rubrik "Foto-Galerie", Menüpunkt "Links".