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Warum sich für Europas sicherste Immobilie kein Käufer fand PDF Drucken E-Mail
Donnerstag, 21. April 2005

Exklusiv-Gespräch: Regierungsdirektor Thomas Hofmann über Verkaufspläne, Kaufinteressierte und die Entscheidung zur Schließung des Regierungsbunkers im Ahrtal

Foto: 'Viel zu schade für die Baggerschaufel': Regierungsdirektor Thomas Hofmann auf dem Sofa, dass einst im Präsidialamt des Regierungsbunkers stand und heute seinen Platz in Hofmanns Büro hat.

Der Verkauf von Flugplätzen ist ihm nicht fremd, Villen oder Schlösser hat er an den Mann gebracht, Hochhäuser ebenso, aber auch einfache Verwaltungsgebäude. Thomas Hofmann - ein Immobilienmakler der Superlative? Sofort macht er deutlich: "Ich bin nur Teil einer Mannschaft!" Doch die hat es mit ihren Aufgaben in sich. Hofmann ist Mitarbeiter der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die bis zum Jahresende 2004 "Bundesvermögensamt" hieß. Sitz ist Koblenz. Die Aufgabe: der Verkauf von Immobilien aus dem Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Das spektakulärste Objekt: der "Ausweichsitz der Verfassungsorgane" - kurz Regierungsbunker - bei Marienthal im Ahrtal. Einer der ganz wenigen Fälle, in denen am Ende kein Kaufvertrag unterschrieben werden konnte ... 

Januar 1998: Hofmann nimmt auf dem Anhänger eines E-Karren Platz und taucht ein in die Unterwelt des ehemaligen Regierungsbunkers. "Ich war beeindruckt. Jahre vorher war ich an der Sicherung und Beseitigung des Westwallbunkers beteiligt, doch mit einer solchen Dimension hatte ich nicht gerechnet. Die Anlage war riesengroß, ein unendlich wirkendes Labyrinth aus Gängen und unzähligen Räumen."

Thomas Hofmann, damals Referent bei der für die Nachnutzung des Bunkers zuständigen Oberfinanzdirektion Koblenz, hatte einen klaren Auftrag. "Wir sollten die Anlage, die nach einem Beschluss des Bundeskabinetts vom Dezember 1997 nicht weiter genutzt werden sollte, auf den Markt bringen. Am Anfang ging es weniger um einen konkreten Verkauf, sondern um eine Sondierung, ob es Kaufinteressenten gäbe und welche Umnutzungskonzepte diese vorschlagen. Dass es schwer würde, die Anlage an den Mann zu bringen, war uns von Anfang an klar: 19 Kilometer Länge, fast 2000 Räume, alles unter Tage und nur mit teurer Versorgung zu betreiben, schließlich die Probleme mit den Brandschutzbestimmungen."

Medienstar Bunker

Und trotzdem hat Hofmann Hoffnung, auch für dieses Bauwerk einen Käufer zu finden. Am 12. Juni 1998 erscheint die Verkaufsanzeige bundesweit in der Presse. Es dauert nicht lange und die ungewöhnliche Immobilie ist das Topthema in Zeitungen, Fernseh- und Radioberichten. "Es gab viele Anfragen, natürlich war die Neugier riesengroß. Wie sieht es in dem Bunker aus, über den es bis dahin nur vage Vermutungen und allerlei Gerüchte gab, was passiert mit ihm". Noch dürfen die Medien nicht rein in den Regierungsbunker. Hofmann wird zum gefragten Interview-Partner - ein neues Aufgabengebiet, über das er heute mit einem Lächeln sagt: "Es gab schon verrückte Tage, an denen gleich reihenweise Anfragen auf meinem Schreibtisch landeten. Im Gespräch mit den Journalisten konnte man dann sehr schnell feststellen, ob es um reine Sensationsgier oder um die seriöse Aufarbeitung eines Themas ging, das in der Geschichtsschreibung bis dahin tabu war." Fernsehbeiträge über den Regierungsbunker und mit ihnen Hofmanns Gesicht erscheinen sogar im japanischen Fernsehen.

Zukunftskonzepte von der Champignon-Zucht bis zum Erlebnispark

Unterdessen macht die Suche nach einem Käufer Fortschritte. Es gibt verschiedene Überlegungen - von der Champignon-Zucht bis zum Erlebnispark, von der Forschungseinrichtung über die Industrieproduktion bis zum Standort für Informationstechnik. Voraussetzung für eine Zustimmung des Bundes zum Verkauf ist ein "harmonisches Angebot". Was sich hinter dieser Formulierung verbirgt? "Der Interessent muss deutlich seine Absicht erläutern und ein tragfähiges Nutzungskonzept vorlegen - und natürlich einen vernünftigen Kaufpreis bieten. Daneben müssen die Belegenheitsgemeinden als Träger der Planungshoheit das Vorhaben befürworten, was eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen und der Kreisverwaltung einschließt." Für den Erwerb der Liegenschaft gehen schließlich zum Ende der Ausschreibungsfrist per 15. September 1998 16 Angebote ein: vier für den Gesamterwerb der Immobilie, eins für den Erwerb einzelner Bauteile mit Außenflächen, 10 für den Erwerb oberirdischer Grundstücksflächen und eins für die Gesamtanmietung der Liegenschaft.

Bei einem Angebot hat Thomas Hofmann das Gefühl: "Das kann klappen. Hennie van der Most war unter den Interessenten. Der hatte 1995 das Atomkraftwerk "Schneller Brüter" in Kalkar gekauft und zu einem Hotel-, Tagungs- und Freizeitzentrum umgestaltet." Mehrfach ist der Holländer Gast in Marienthal, dreht mit Hofmann immer wieder seine Runden durch den Regierungsbunker. Auch hier kann er sich eine Erlebniswelt nach der Art des "Wunderland Kalkar" vorstellen. Doch der erfolgreiche Unternehmer sieht auch die Kosten: Monatlich fallen rund 25.000 DM Betriebsausgaben an, Gehälter der Angestellten nicht eingerechnet. Für den Umbau auf aktuelle Brandschutzbestimmungen werden 12 Mio. DM veranschlagt. Außerdem müssen einige Bereiche asbestsaniert werden. In dieser Zeit kann die Anlage nicht genutzt werden - brachliegendes Kapital, das keinen Pfennig einbringt. Die Kalkulationen für einen erfolgreichen Betrieb nach dem Umbau sind utopisch. Die Besucherzahlen, die Tag für Tag, Jahr für Jahr mit ihrem Eintritt für einen kostendeckenden Unterhalt sorgen sollen, sind schon aufgrund des baulich bedingten Platzangebotes kaum zu erreichen.

"Bei unserem letzten Rundgang standen van der Most fast die Tränen in den Augen. Dann sagte er ab", erinnert sich Hofmann.

Andere Ideen lehnt der Bund ab. "Es gab einen Interessenten, der wollte den Bunker weiter als Schutzbau nutzen und einzelne Plätze für viel Geld weiter verkaufen."

Land unter im Bunker

Was offen bleibt, ist ein konkreter Kaufpreis. "Aus den Angeboten sollte sich ein Marktwert ergeben. Doch der Preis spielte nicht die dominierende Rolle. Uns war immer eine seriöse Nutzung wichtig und die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen und umweltgerechten Rückbaus, sollte das Konzept des Käufers scheitern."

Eine Bedingung des Bundes, die im Grundwasser der Eifel ihre Ursache hat. "Es ist eine sehr feuchte Region. Wir haben das auch im Bunker beobachtet, in den gerade zwei bis drei Wochen nach starken Regenfällen Wasser eindrang, das abgeführt werden musste. Die Gefahr, dass hier Öle, Kraftstoffe oder Lacke ausgeschwemmt werden und das Grundwasser verschmutzen, bestand bei einer Überflutung."

Wie oft Thomas Hofmann dem Regierungsbunker eine dienstliche Visite abstattete, weiß er heute nicht mehr genau, "die Zahl 50 scheint mir aber realistisch. Zwischen 5 und 10 Kilometer habe ich dann zurückgelegt". Die Strecke Koblenz - Hamburg unter Tage. Was ihn dabei immer wieder beeindruckte, war der gepflegte Zustand. "Egal, in welchem Bereich - man konnte überall vom Fußboden essen, so sauber war alles. Man hat gemerkt, dass die Mitarbeiter die Anlage gepflegt haben wie ihr eigenes Haus. Auch technisch war alles tipptopp."

Und doch wurde der Rückbau der Anlage immer wahrscheinlicher. "Keiner der Anbieter erfüllte die Voraussetzungen, auf die nicht nur der Bund aus seiner Sicht Wert gelegt hatte, sondern die wir auch als Schutz für den Kaufbewerber verstanden. Eine erneute Ausschreibung zum Verkauf schien aufgrund unserer Erfahrungen nicht Erfolg versprechend, also wurde der Beschluss für den Rückbau der Anlage und ihren Verschluss gefasst."

Aus Sicht der Vernunft die richtige Entscheidung und doch schwingen auch bei Thomas Hofmann Gefühle mit: "Natürlich entwickelt sich nach Jahren eine emotionale Seite gerade zu einem solchen Bauwerk, das einmalig in Europa war. Die Anlage hat mich begeistert - als Tatsache". Das wird auch in seinem Büro deutlich. Hier steht heute eines der Sofas aus dem Präsidialamt des Regierungsbunkers -im Kontrast zum "Dienstgrün und -grau" der Anlage ganz in Pink. "So etwas überlässt man nicht der Baggerschaufel." Auch eine der orangenen Stehlampen hat Hofmann in die Nachwelt gerettet. Und so erstrahlt heute wenigstens noch ein kleiner Teil des einstigen Regierungsbunkers, in dem längst das letzte Licht erloschen ist.