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Einer dieser Berge bebt bereits wieder... PDF Drucken E-Mail
Freitag, 11. Juli 2003

Handwerker und ihr Feuerwerk der Zerstörung an einem Ort, der als unzerstörbar galt

Vor rund 10.000 Jahren, da sind sich Wissenschaftler einig, sei die Eifel noch reich an Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Lavaströmen gewesen. Und auch in Zukunft müsse man mit Eruptionen rechnen. Dabei sind die zeitlichen Dimensionen weit gesteckt. Doch in einem Berg brennt es bereits wieder, bebt die Erde.

Vor rund 10.000 Jahren, da sind sich Wissenschaftler einig, sei die Eifel noch reich an Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Lavaströmen gewesen. Und auch in Zukunft müsse man mit Eruptionen rechnen. Dabei sind die zeitlichen Dimensionen weit gesteckt. Doch in einem Berg brennt es bereits wieder, bebt die Erde.

Im malerischen Mariental in der Eifel wird ein einst gut gehütetes Staatsgeheimnis preisgegeben...

Sprengungen, schweres Räumgerät, Trennschleifer und Schweißbrenner arbeiten sich heute durch den Berg, der bis 1994 "Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland" war - so sein offizieller Name. Im Klartext: Der ehemalige Regierungsbunker wird als Teil der Geschichte selbst in dieselbe geschickt und abgerissen. Ein Handwerksunternehmen aus Bayern, das Hoch- und Tiefbauunternehmen Schöndorfer aus Bad Reichenhall, wurde mit der Aufgabe betraut, das 19 Kilometer umfassende Bunkersystem zu "räumen".

Der Berg brennt - so einfach lässt sich die Botschaft zusammenfassen, die einige Hundert Meter unter der Erde zur Zeit allgegenwärtig ist. Schweißbrenner bahnen sich ihren Weg durch Rohrleitungen von mehreren hundert Kilometern Länge, die einst der Trinkwasser- oder Dieselversorgung dienten. Bis auf die nackte Tunnelwand werden Kabelhalterungen "abgeflext". Ein Feuerwerk der Zerstörung an einem Ort, der einst als unzerstörbar galt. Grund für die umfangreichen "Aufräumarbeiten" ist der Umweltschutz: Würden alle Maschinen abgestellt und der Berg samt Inhalt sich selbst überlassen, stürmten nicht wilde Krieger durch die Gänge, sondern würde das Wasser kampflos den Bunker einnehmen - 300.000 Liter täglich. Eine Verunreinigung des Grund- und Quellwassers wären die Folge.

Plenarsaal wird demnächst abgerissen

So laufen die Pumpen, die für trockene Füße sorgen und jene, die den Berg mit Luft zum Atmen versorgen, weiter bis ins Frühjahr 2005. Dann soll Schluss sein mit den Abrissarbeiten unter der Erde, in deren Verlauf sich hydraulische Baggerkneifzangen mit Tonnenkräften durch den Plenarsaal des Bundestages genauso arbeiten wie durch Wasserwerke, riesige Anlagen zur Stromversorgung oder Großküchen samt Kantine für mehrere Hundertschaften Hungriger.

Das Ende für ein gigantisches System, das sich 12 Jahre lang von 1960 bis 1972 in einen nie genutzten Eisenbahntunnel vorarbeitete, Querstollen unter den heimischen Schiefer trieb. 3000 Menschen hätten hier im Ernstfall von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen 30 Tage die Bundesrepublik Deutschland am Leben erhalten. Zu den "Auserwählten" hätten Regierung, Parlament, Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr gezählt. "VIP"-Gäste mit spartanischer Unterbringung wären Bundeskanzler und Bundespräsident gewesen. Einziger "Luxus" ihrer knapp 20 qm großen Quartiere: Dusche und WC auf dem Zimmer. Von all dem zeugen heute nur noch bunte Quadrate auf der Tunnelwand des ehemals zweigeschossig ausgebauten Hauptganges. Das blau- rosa- grüne Schachbrett an der Decke ist farblicher Überrest der Zimmerrückwände. Irgendwo in dem Mosaik künden Schilder in typischer 70er Jahre-Typografie: "Rauchen verboten" oder "Notausgang Abschnitt West".

Sie haben ganze Arbeit geleistet, die bayrischen Handwerker. Im Minutentakt rollen LKW´s durch die zum Teil gesprengten Röhren, deren Wege nie für Fahrzeuge dieser Größe ausgelegt waren. Elektrowagen - ähnlich wie sie auf Flüghäfen eingesetzt werden - und Fahrräder rollten hier bis 1994 auf 1,80 Meter Breite entlang. Damit sie ohne Panne auf der unterirdischen Eifelrennstrecke unterwegs waren, kamen täglich Handwerker zur Arbeit in den Bunker - Kfz-Mechaniker genauso wie Elektriker oder Heizungsbauer.

Weg für die eigene Vergänglichkeit schaffen

Heute sorgt der Bunker über seinen Hautgang für den Weg der eigenen Vergänglichkeit. Tonne für Tonne kleingeschnittenen Betons, Fragmente von Anlagen oder Rohrleitungen rollen aus dem Berg. Und selbst die "öffentlichen" Telefonzellen mit Anschluss an die weite Welt, die einst im Gang vor dem Plenarsaal des Bundestages hingen und sicher einiges zu hören bekamen, lauschen nach über 30 Jahren wieder dem Rauschen der Bäume im Ahrtal.