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Neues aus der Gerüchteküche ... PDF Drucken E-Mail
Sonntag, 30. Juli 2006

Mit dem Fahrstuhl zum Konsumpalast in Ebene 4 

Foto: Rein durch den Haupteingang Trotzenberg (im Bild nach der Trümmerräumung und Stabi- lisierung im Frühjahr 1962) und ab in den Fahrstuhl. 100 Meter tiefer lag das eigentliche Bunkersystem - so jedenfalls plante der Bund u.a. seinen Ausweichsitz im Oktober 1962.

Vier Etagen sollten die Stollen des Regierungsbunkers nach ihrem Ausbau aufnehmen. Neben den reinen Funktionseinheiten gäbe es auch Läden und große Geschäfte. Damit die Gerüchteküche richtig am köcheln war, dichtete man den Räumlichkeiten sogar ein Bordell an. Geschichten, die sich hartnäckig im Ahrtal und darüber hinaus hielten, noch weit in die 80er Jahre hinein. Selbst Erfolgsautor Michael Preute resümiert in dieser Zeit nach jahrelangen Bunker-Recherchen: "Die Ebenen sind über mehrere Fahrstühle miteinander verbunden, die aber zu langsam fahren und die Kapazitäten nicht bewältigen können." Mussten sie auch gar nicht, weil es sie schlicht so nicht gab. Aber wie es mit Gerüchten ist - irgendwo haben sie ihren Ursprung, und der ist im Falle Marienthal nicht ganz weit weg von Überlegungen aus dem Oktober 1962.

Mehretagig, rund im Aufbau und viel tiefer als der Hauptstollen West - so sehen einige der Zeichnungen dieses Bunkerteils aus, über die im Bundesinnenministerium diskutiert werden. Der Ausbau West ist gestoppt, die Ursprungspläne - sie ähneln in vielen Details dem Ostausbau - sind in irgendeiner Schublade verschwunden. Es gibt sechs neue Pläne - keiner ähnelt dem anderen. Was sie verbindet, ist die Technik hinter den vier, jeweils rund 200 Meter auseinanderliegenden 100 atü-Toren im Tunnel, die alle nach Norden wegführen: Dort geht die Reise mit Fahrstühlen 100 Meter tiefer. Unten angekommen, führen die Wege in völlig unterschiedliche Quartiere. Vom 30 Meter hohen Zylinder, die Räume auf neun Ebenen nach Versorgung unten, Büro mittig und Schlafräume oben angeordnet über ein Stollensystem, das als Blitz angelegt war und in alle Himmelsrichtungen führen soll, reicht der Variantenreichtum bis zur "Tieferlegung" der Pläne West aus dem Jahr 1961. Und was runterführt, muss über die Fluchtwege und Belüftungsschächte anderswo wieder raufkommen. Entsprechend weit führen diese Stollen. So ist der Fluchtweg in nördliche Richtung drei Mal länger als das spätere Bauwerk 280 (West/Ost).

Was hatte diese Phase der "Nachdenklichkeit" ausgelöst? Den Stopp des Westausbaus verhängt die Staatssekretär-Besprechung im Bundeskanzleramt im Dezember 1961. Starker Druck kommt aus dem Bundesverteidigungsministerium. Gerüchte machen die Runde. Die Veröffentlichungen in mehreren Medien, darunter der Parlamentarisch Politische Pressedienst und das "Hamburger Abendblatt", hätten die Geheimhaltung aufgehoben - und damit den geplanten Regierungsbunker schon im Vorfeld in Frage gestellt. Die Hamburger Zeitung beschreibt in ihrer Darstellung sogar den Weg "rechterhand an der Staatsweinbaudomäne vorbei" so genau, dass man zwangsläufig auf dem Plateau zwischen den Tunnelzugängen im Taleinschnitt Marienthal landet. Anfang Januar legt die "Quick" mit Ausgabe 2 nach und zeigt auf einem riesigen Foto ein riesiges Loch - den Eingang in den Kuxberg. Daraufhin schickt die Bonner Regierung ganze Heerscharen von Polizisten und anderen "Vollzugsbeamten" quer durch die Republik und lässt die Seiten aus dem Innenteil "entfernen". Schließlich bestätigt der Bundesverteidigungsrat die Entscheidung, im Westtunnel nicht weiterzubauen. Adenauer persönlich lässt sich ab sofort regelmäßig berichten, wie die Lage am "endgültigen Befehlsstand" ist.

Ein neues Gutachten soll durch ausländische Experten erstellt werden - was in keinerlei Zusammenhang mit Medienveröffentlichungen steht. Schließlich fällt der Bundesverteidigungsrat die Entscheidung, Ost und West im Zeitplan getrennt fertig zu stellen. Einzig die Eingangsbauwerke West sollen errichtet werden, der Tunnel dahinter im Krisenfall als Notunterkunft und in Friedenszeiten als Garage für Baufahrzeuge dienen. Und so wird noch den Teilnehmern der 1. Fallex-Übung ´66 im neuen Regierungsbunker (Teil Ost) erzählt, der Westteil sei nur ein Versorgungstunnel, in dem Nahrung und Dieselkraftstoff gebunkert werden. Ein Gerücht, dass sich dann auch hartnäckig hält ...