Der HVA-Chef, der Regierungsbunker und was sie verband
 Foto: Der ehemalige Chef der DDR-Auslandsaufklärung Markus Wolf starb am 9.11.2006 - dem Tag, an dem vor 47 Jahren mit der Trümmerräumung der Start zum Bau des Regierungsbunkers im Ahrtal fiel.
"Es liegt alles so weit zurück. An Konkretes kann ich mich nicht erinnern". Die Antwort von Markus "Mischa" Wolf vor über einem Jahr an ausweichsitz.de auf die Frage, welche Rolle, welchen Status der ehemalige Regierungsbunker für die Arbeit der DDR-Auslandsaufklärung spielte. Am 9. November 2006 ist der ehemalige Leiter der "Hauptverwaltung Aufklärung" der Staatssicherheit 83-jährig verstorben. Es ist zugleich der Tag, an dem vor 47 Jahren der Bau des Regierungsbunkers im Ahrtal mit der Trümmerräumung begann.
Wolf, die DDR-Spionage und der Ausweichsitz - eine
Dreiecksbeziehung, die sich bis in die jüngere Vergangenheit hielt.
Denn der Bunker gehörte mit Baubeginn zu den exponierten Objekten der
Aufklärung. Eine Zeit, in der Wolf bereits Chef der
Vorgängerorganisation der Hauptverwaltung war. Vom ersten Tag
begleitete seine Arbeit die der Marienthaler Tunnelbauer.
Das
Interesse der DDR an dieser Immobilie war groß. Aufbau, Funktionsweise
bis hin zu den Inhalten während der Militärübungen wurden in den
Folgejahren in umfangreichen Dossiers nach Ost-Berlin gemeldet. Doch
man bediente sich nicht einer wilden Agenten-Kamelle á la James Bond,
sondern sammelte in kleinen, unauffälligen Portionen. "Vom ersten Tag
waren wir im Bilde", äußerte sich ein Mitarbeiter aus dem innersten
Kreis der HVA, der seinerzeit für die Führung der Quelle Lorenz Betzing
zuständig war. Letzterer arbeitete, wie viele andere Stasi-Aufklärer
auch, als Mitarbeiter einer Installationsfirma beim Bunkerbau mit.
Einer der wenigen Namen, die später mit den DDR-Spionagetätigkeiten
zwischen Dernau und Ahrweiler öffentlich wurde und der für das Prinzip
in der Aufklärung stand. Es waren Mitarbeiter von Baufirmen oder
Zulieferern, an die man sich gezielt wandte und die Informationen
beschafften. Aus vielen kleinen Puzzle-Steinen setzte man dann in
Ost-Berlin ein Gesamtbild zusammen. Spätestens mit den Meldungen über
Inhalte und Termine der FALLEX-Übungen im Regierungsbunker wurden
Informationen über den Ausweichsitz der Bundesregierung bis an die
höchsten Stellen im DDR-Staatsapparat weitergegeben. Erich Honecker
wurde regelmäßig mit Kurzzusammenfassungen versorgt.
Markus Wolf und seine Marienthaler Verbindungen
Wolf,
der einst Flugzeugbau studierte, berichtete 1945 und 46 - als einer von
ganz wenigen zugelassenen deutschen Journalisten - für den Berliner
Rundfunk von den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen. Eine Fügung der
Geschichte, auch was den späteren Regierungsbunker angeht: Sein Gegenpart, dessen Name untrennbar für
die gesamte Koordinierung und Planung des späteren Bunkerbaus steht, ist in einem der zwölf Hauptprozesse Assistent der Verteidigung (Die VS-Akte Marienthal).
Noch vor Bauende 1972 ist
die DDR im Besitz aller relevanter Informationen über den Ausweichsitz.
Wolf und seine Mitarbeiter kennen die Anlage, messen ihr aber im
Gesamtzusammenhang des Prozedere Abschreckung und Gegenabschreckung der
Blöcke keine allzu große Bedeutung bei. Auf die Frage, was die Truppen
des Warschauer Vertrages auf ihrem Weg Richtung Westen im Ahrtal getan
hätten, antwortet der für Betzing zuständige HVA-Mitarbeiter: "Gar
nichts". Zwar gab es bei der Nationalen Volksarmee mindestens eine
Einheit, die auf das Knacken von Befestigungsanlagen spezialisiert war,
"aber lange hätten wir uns nicht am Regierungsbunker aufgehalten." Das
Antennenfeld wäre beseitigt und die Tore, sollte man nicht in die
Anlage kommen, bewacht worden. Eine Form der Genugtuung: Aus Sicht des
Ostens hätte man die Bundesregierung im eigenen Bunker gefangen
gehalten.
An was sich Markus Wolf im Zusammenhang mit dem
Bauwerk im Ahrtal erinnern konnte und an was nicht, lässt sich
spätestens mit seinem Todestag nicht mehr zweifelsfrei festlegen. Fakt
ist aber, dass bereits vor Monaten durch den eingeweihten Kreis der
DDR-Spionage die Anfrage des ehemaligen Chefs die Runde machte, ihm
alles zu liefern, was an harten Fakten die Zeit überlebt hatte. Und
hier konnten sich einige Mitstreiter noch recht gut erinnern. Was
daraus wird, bleibt abzuwarten. Doch das Verhältnis "Wolf-Bunker"
könnte über das Leben von Markus Wolf hinausreichen und so doch noch
umfangreich beantwortet werden.
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