Wiederentdeckter Medienstar |
Freitag, 20. April 2007 | |
Ein Regierungsbunker im Rampenlicht kommt und geht und kommt ...Die Berichterstattung aus dem Bunker war für den Krisenfall dank eigenem Fernsehstudio sichergestellt, in dem der Westdeutsche Rundfunk die Regie übernommen hätte. Die Berichterstattung über den Bunker läuft heute gleich über mehrere Kanäle. Das Interesse kommt und geht und kommt ... - Begleiterscheinung eines Medienstars im Wechsel der Tagesform und des öffentlichen Interesses daran. Einige Zeit war es ruhig um Deutschlands Staatsgeheimnis Nummer 1. Das war bis zur Verabschiedung im Winter 1997 auf jeden Fall so. Aber was hörten bereits im November 1995 die Sitzungsteilnehmer einer Bundestagsdebatte zum Kostenproblem Regierungsbunker: "Der ist doch geheim. Den gibt es doch gar nicht!" Daran hielten sich weites gehend auch die Medien.
Die große Beachtung fand die reine Bunker-Tatsache in ihren letzten
Zuckungen der Existenz zwar nicht, doch dann wurde ab Herbst 1998 mit
der Öffnung der Anlage gefilmt und fotografiert, was Kulisse, Linse und
Akkus hergaben. Das Staatsgeheimnis öffnete seine Pforten, zuerst für
die Medien, dann für die Bagger.
Blitzartig verschwanden in Deutschlands wundersamster Unterwelt die
Kameras wieder. Es wurde gearbeitet und nicht dokumentiert, gefragt
oder hinterfragt. Der Abriss lief zumeist ungestört von
Presse-Besuchern. 2004 tauchten dann erstmals an der Tunnelwand jene
Buchstaben auf, die irgendein Bauarbeiter im dienstlichen Gefecht mit
seinen Leuten während, wahrend und warnend an die Tunnelwand sprühte:
"Ab hier Museum", neue Zeile "bitte nichts verändern" mit einem Pfeil
darunter Richtung Museum. Das änderte die Sachlage im Bunker und auch
für die Öffentlichkeit grundsätzlich. Dieser Schriftzug findet sich Jahre später ganz woanders wieder. Am 11. April 2007 leuchtet er in seinem magentafarbenen Anstrich auf einer der vorderen Seiten der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
In den Vereinigten Staaten räumt Redakteur Mark Landler dem Thema
bereits am 27. November 2006 eine komplette Seite in der "New York
Times" frei. Es ist nicht sein erster Bericht aus "germany", auch nicht
sein erster, für den er den Großraum Bonn bereist. Es ist aber das
erste Mal, dass er über diesen Bunker berichtet, den er bis dahin nicht
kannte.
Bei den Recherchen kommt er in wenigen Stunden mit Menschen zusammen,
die sein Bild von dieser Sache prägen. Da sind die wundersamen
Deutschen mit ihrem wundersamem Bunker, die wundersam damit umgehen.
Umständlich, spröde, in der Sache gründlich und so, als sei das alles
völlig normal. Was es tatsächlich nie war. Ein deutsches Bunker-Wunder,
dass der Amerikaner mit "Doktor Seltsam" gleich in der Überschrift
umschreibt (die wörtliche Übersetzung des Artikels der New York Times
ist unter "Exklusiv" eingestellt) Es war und wird nicht der letzte öffentliche Auftritt dieser Bundes-Liegenschaft sein. Doch der Duktus ändert sich aktuell, spätestens mit dem Beitrag in der FAZ. Zum zweiten Mal bricht ein Staatssekretär das große Schweigen. Nach Wolfram Dorn geht Dr. Waldemar Schreckenberger mit seinen Bunkererlebnissen in die Öffentlichkeit - und ignoriert damit ein Tabu. Ganz vorsichtig, denn schlecht schneiden er und sein ehemaliger Chef, Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, bei diesem Wagnis nicht ab. Immerhin: Ganz allmählich bekommt die Anlage über ihre Bauphysik und die bloße Tatsache, dass es sie gab und gibt, eine politische Facette.
Vielleicht wird der Amerikaner Landler irgendwann noch einmal von der
Ahr berichten. Dann darüber, dass das alles doch nicht so ganz normal
war, die Sache mit diesem Bunker. Und es auch jene Augenblicke in der
deutschen Geschichte um diesem Ort gab, die das Grundbedürfnis nach
Normalität völlig auf den Kopf stellten. |