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Regierungsbunker ist Europäisches Kulturgut PDF Drucken E-Mail
Freitag, 01. Mai 2009

Denkmalschutz: Von Landesabsagen zum bedeutendsten Preis Europas

Blick zum „Europäischen Kulturgut“: Besucher auf der Plattform der „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“.

Vom geheimen Regierungsbunker ins öffentliche Rampenlicht, nun auf die europäische Bühne des Denkmalschutzes – in den vergangenen Monaten hat der „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“ seine Geschichte um einige markante Eckdaten bereichert. Nun ist das Bauwerk „Europäisches Kulturgut“ und mit dem bedeutendsten Denkmalpreis Europas ausgezeichnet. Besonders für die Mitarbeiter der "Dokumentationsstätte Regierungsbunker" und den Heimatverein "Alt Ahrweiler" als Träger des Museums eine Anerkennung ihrer Arbeit vor Ort.

Die „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“ ist gerade einmal 15 Monate jung, gerade konnte der 100.000. Besucher begrüßt werden – nun setzt der Bunker seine Erfolgsstory im Museumszeitalter fort und ist mit dem bedeutendsten Denkmalpreis Europas, dem „Europa Nostra Award“ ausgezeichnet worden.

Europa Nostra, der europäische Dachverband nicht staatlicher Denkmalschutz-Organisationen mit Sitz in Den Haag honoriert mit dem Preis den „Erhalt des Kulturerbes in Architektur“ wie auch die „Vermittlung des Stellenwertes des Denkmalschutzes für Erziehung und Lebensqualität sowie die Schaffung und Entwicklung neuer Arbeitsplätze“. Der Verband, in dem über 200 nationale und internationale Organisationen zusammengeschlossen sind und der von der Europäischen Union, dem Europarat und der UNESCO gefördert wird, hat im Rahmen des Jahreskongresses am 5. Juni auf Sizilien den Preis an das Bundesamt sowie den Heimatverein Alt-Ahrweiler als Hauptpartner des Museumsprojektes im Regierungsbunker überreicht.

„Ab hier Museum, bitte nichts verändern!“ Besucher an der Stelle im Regierungsbunker, die Rückbau und Erhalt festlegte. Hier beginnen die unveränderten Bunkermeter Richtung Ausgang, die ab Juni 2009 unter besonderem Denkmalschutz stehen.

Erstmalig wird Atombunker EU-Kulturgut

Damit wird das langjährige Engagement von Bundesamt, Heimatverein wie auch Kreisverwaltung Ahrweiler für den Teilerhalt des Bunkers ausgezeichnet. Mit dem Preis ist man angekommen auf der europäischen Bühne und stellt ein Bauwerk ins Rampenlicht, das sich abgrenzt von den anderen „Europäischen Kulturgütern“. Ein Atombunker in dieser Liga ist neu. Für die Region Ahrweiler wird es ein zusätzlicher Gewinn. Denn vom Museum im Bunker geht längst wirtschaftliche Ausstrahlungskraft aus. 100.000 Besucher hinterlassen ihre Spuren auch im touristischen Umfeld.

Und auch für die Mitarbeiter der Dokumentationsstätte ist es eine Anerkennung ihrer Arbeit. Seit mehr als einem Jahr belebt jeder Einzelne die Inhalte dieses Museums und bringt sich bei der Vermittlung ein, dem nationalen und internationalen Publikum die Rolle des Regierungsbunkers und dessen Aufgabe im Kalten Krieg zu erklären. Geplant wurde der Bunker als geschütztes Abbild der Bundeshauptstadt im Kriegs- und Krisenfall vor 50 Jahren. Er war eingerichtet für das Überleben und Weiterarbeiten von 3.000 Menschen, die im zivil-militärischen Bereich den 3. Weltkrieg zu organisieren hatten.

Für diese Aufgabe wurde zwischen 1960 und 1971 ein mehr als 17 Kilometer langes Bunkersystem gebaut, das bis Ende 1997 durch die Bundesregierung als Staatsgeheimnis rund um die Uhr mit 190 Mitarbeitern einsatzbereit gehalten wurde. Nach Aufgabe des Bunkers beauftragte die Regierung 2001 das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit dem Abriss der Anlage. Bis auf einen Museumsbereich von 200 Metern ist alles aus den unterirdischen Stollen entfernt worden, was an die ehemalige Aufgabe von Europas größtem Bunkerbauwerk erinnert.

Wundersamer Wandel beim Denkmalschutz

Zum Thema „Rückbau und Denkmalschutz“ sind - neben aller Freude über die aktuelle Auszeichnung als europäische Denkmalstätte der Spitzenklasse – auch kritische Fragen mit Blick auf die jüngere Vergangenheit berechtigt. Die allerdings können weder durch den Ahrweiler Heimatverein noch das Bundesamt für Bauwesen oder Europa Nostra beantwortet werden: Warum wird der Bunkerkomplex jetzt für den Bestand von weniger als zwei Prozent seiner ursprünglichen Architektur ausgezeichnet, wenn das rheinland-pfälzische Landesamt für Denkmalpflege Anträge, den Bunker vor seinem Abriss als Kulturdenkmal zu erhalten, ablehnte? Es gab eine Reihe von privaten Initiativen mit dem gleichen Ansatz: Der Denkmalschutz sollte das bedeutende Bauwerk vor der Zerstörung bewahren - ganz oder während des Rückbaus eingereicht, wenigstens in einem größeren Teilbereich. Ohne Chance.

Keine Chance für den Denkmalschutz. Es gab mehrere private Initiativen, die Tilgung des Regierungsbunkers über Denkmalschutzbestimmungen zu unterbinden. Alle ohne Erfolg. Nun, wo fast alles beseitigt ist, wird der Rest mit dem bedeutendsten europäischen Denkmalpreis ausgezeichnet.

Die Begründung damals (hier im Januar 2005): „Der Bunker ist von Seiten des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz nicht als Kulturdenkmal im Sinne unseres Denkmalschutz- und -pflegegesetzes eingestuft worden. Eine Unterschutzstellung erfolgt daher nicht. Einwirkung auf Arbeiten/Abrisse im/am Bunker sind unsererseits daher ebenfalls nicht möglich.“

Eine Entscheidung auf Landesebene – die allerdings ganz im Sinne des Bundes war. Hätte das Mainzer Amt anders entschieden, wäre der Rückbau in Frage gestellt worden, hätte seine Umsetzung beeinflussen können. Auswirkungen, die in erster Linie das ausführende Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung betroffen hätte, das seit 2001 den Auftrag zum Abriss umsetzte.

Das gleiche Bundesamt nimmt nun für den kleinen, unzerstörten Rest des ehemaligen Bunkers den bedeutendsten europäischen Denkmalpreis entgegen. Der Mythos Regierungsbunker ist um ein Geheimnis reicher. Aber auch um eine hochkarätige Auszeichnung. Die in erster Linie dem Bundesamt für Bauwesen zuzuschreiben ist, das über seinen Präsidenten Florian Mausbach seinerzeit eine eigenmächtige Entscheidung traf und 200 Meter vom Abriss verschonte, die längst als Museum zum Vorzeigeobjekt geworden sind – nun auch europaweit!

„Am liebsten Betonplatte drauf“. Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein (rechts; beim Rundgang durch die Dokumentationsstätte Regierungsbunker) fand neben vielen lobenden auch kritische Worte zum Umgang mit wichtigen Baudenkmälern des Kalten Krieges in Deutschland.

Die besondere Rolle der Anlage unterstrich beim Festakt in der Dokumentationsstätte auch Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein, 1. Vorsitzender von Europa Nostra Deutschland und Vizepräsident der Dachorganisation. In Ahrweiler übergab er das Siegel – neben vielen lobenden und anerkennenden Worten aber auch mit kritischen Gedanken. „Der Bunker ist in seinem Stellenwert vergleichbar mit der Berliner Mauer. Dort hat man es versäumt, die geschichtlich wichtige Rolle über das Bauwerk zu erhalten und zu vermitteln.“ Auch in Ahrweiler sei dieser Weg vorgezeichnet gewesen und konnte „gegen den Widerstand von Behörden, die das am liebsten mit einer großen Betonplatte zugemacht hätten“ abgewandt werden. Dem Umgang mit diesem Teil der deutschen Geschichte gab der EU-Denkmalschutzgesandte - entsprechend - keine Höchstnoten.

Doch sollte das rheinland-pfälzische Landesamt für Denkmalpflege seine damalige Entscheidung nun mit Blick auf die aktuelle Europa-Auszeichnung bedauern, hat es die Möglichkeit der Reputation: Seit 5. Januar 2009 liegt ein Antrag auf Denkmalschutz für den Verbindungstunnel zwischen dem Regierungsbunker und dem Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe vor – ohne das bisher irgendjemand entschieden hat, ob es diesen geheimnisvollen "Geister-Tunnel" überhaupt gibt. Weitergeleitet wurde der Antrag durch den Landschaftsverband Rheinland, hier die Rheinische Bodendenkmalpflege. Die teilt allerdings mit, dass sie für den Tunnel nicht zuständig ist, weil „es sich bei dem unterirdischen Gang um einen Teil des Bauwerkes Regierungsbunker handelt und dieser wohl auch noch in Takt ist. Nach dem Denkmalschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen ist somit das Amt für Denkmalpflege im Rheinland, der Landeskonservator, zuständig. Vergleichbares trifft auf die Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz zu“.

Die Ämter prüfen noch – in erster Linie die Kompetenz für diesen Tunnel-Fall. Irgendwann wird man dann auch der Frage nachgehen müssen, ob es den Verbindungsgang überhaupt gibt. Solange lebt der Mythos weiter und macht - gleichwohl wie der Denkmalschutz entscheidet – den Regierungsbunker um ein weiteres Geheimnis reicher. Das Ringen um die unterirdischen Kulturdenkmäler an der Ahr ist eröffnet.