Das Ende der Kleinstadt unter der Erde |
Montag, 25. Oktober 2004 | |
Handwerker sorgen für "Licht aus und Tür zu" im ehemaligen RegierungsbunkerNoch leuchtet es, das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Doch es wandert von Tag zu Tag immer weiter Richtung Ausgang, denn der Tunnel ist da zu Ende, wo die Arbeiter des Handwerksunternehmens Schöndorfer dem ehemals größten europäischem Bunker mit schwerem Räumgerät die letzten "Innereien" entreißen. Unbekannte KleinstadtEr war eine Kleinstadt unter der Erde, die in keiner Karte verzeichnet war, die keiner kannte: der ehemalige "Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland" - kurz Regierungsbunker. Versteckt unter den malerischen Weinbergen des Ahrtals bei Marienthal erstreckte sich sein gigantisches, insgesamt 19 Kilometer langes Tunnelsystem. 3000 Menschen hätten hier im Ernstfall 30 Tage Unterkunft gefunden. Zum Bunker gehörten nicht nur 930 Schlafzimmer, 900 Arbeitszimmer - es gab hier in den Tiefen des Schiefergebirges auch einen Plenarsaal des Deutschen Bundestages, ein Präsidialamt, Friseursalons oder Operationssäle. Fünf Bunkerbereiche mit jeweils eigenem Kraftwerk, Wasserwerk, Belüftungsanlage, Großküche und Speisesaal, tausende Kilometer Elektrokabel, Rohrleitungen und Lüftungsschächte, riesige, 20 Tonnen schwere Bunkertore - all das war Bestandteil der Anlage und wurde schließlich zum Problem. Denn mit der Entscheidung, den Bunker nicht weiter zu nutzen, der spätestens mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin ohne Aufgabe war, verband sich die Frage des weiteren Einsatzes. Bundestags-Plenarsaal abgerissenUmnutzungskonzepte waren gescheitert, so entschied die Bundesrepublik Deutschland als Eigentümer: "Alles muss raus!" Handwerker, die von 1960 bis 1972 für das Entstehen der Anlage gesorgt hatten, kamen nun mit schwerem Räumgerät bei der Beseitigung zum Einsatz. Ein Opfer ihrer Arbeit: Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages - der höchste Raum des Bunkers, dessen "relativ" großzügige Raumgestaltung den Regierungsvertretern bei ihren wichtigen Entscheidungen unter Tage nicht das Gefühl von Enge vermitteln sollte. Nach weniger als drei Jahren (Ab)Bauzeit bietet sich heute ein eher trostloser Anblick beim Weg durch den Ex-Bunker: Nackte Tunnelwände zeugen von der gründlichen und schnellen Arbeit der Handwerker. An die zweigeschossige Einteilung im Tunnel erinnern nur noch kleine Betonüberhänge, hier und da verrät der Fliesenboden die ehemalige Raumaufteilung. Doch selbst davon wird in wenigen Monaten nichts mehr zu sehen sein, denn inzwischen sorgt schweres Räumgerät für die Entfernung der letzten Zwischendecke, unter der immer noch Rohrleitungen und Kabel liegen. Hinter dem Bagger, der unbarmherzig auf den Ausgang und damit auf das Ende der Rückbauarbeiten zusteuert, wird ein besenreiner Tunnel übergeben, der mit dem Abschalten der Pumpen vom Quellwasser der Eifel "erobert" wird. Wasser, das auch nach der Reise durch den Tunnel so rein sein wird, wie es den Weg durch die ehemalige Kleinstadt unter der Erde angetreten hat. |