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Samstag, 16. Februar 2013

„Plan B.“: Warum die Bundesregierung keinen 3. Weltkrieg führen konnte

Lagezentrum des Bundesministeriums der Verteidigung im Regierungsbunker, 100 Meter unter der Erdoberfläche: Was hier im Kalten Krieg besprochen wurde, war und ist für die Öffentlichkeit nicht bestimmt. In „Plan B. – Bonn, Berlin und ihre Regierungsbunker“ werden nun erstmals Akten zu Planspielen der Bundesregierung für den 3. Weltkrieg ausgewertet.

Bundeskanzler Helmut Schmidt nahm seinen Generalinspekteur Jürgen Brandt beiseite und erklärte kategorisch: „Ich denke, wir sind uns einig: Nach der ersten Atomexplosion in Deutschland befehle ich die Einstellung der Kampfhandlungen.“* Was Schmidt im Wissen um atomare NATO-Kriegspläne (Ende der 1970er Jahre) nicht ansprach: Die Bundesregierung war gar nicht in der Lage, an einem Weltkrieg teilzunehmen. Bei der NATO-Übung „WINTEX/CIMEX 79“ driften militärische und zivil-bürokratische Kriegsführungen massiv auseinander und befinden sich schließlich auf unterschiedlichen Umlaufbahnen eines nukleareren Endzeitsystems. Erstmals gibt das Buch „Plan B. – Bonn, Berlin und ihre Regierungsbunker“ Einblicke in die Probleme bundesdeutscher Planspiele für den atomaren Ernstfall.

Der 3. Weltkrieg wirft seine Schatten voraus und die Marine will Küsten verminen, was Juristen der Bundesregierung aber ausführlich aus „völkerrechtlichen Erwägungen“ prüfen wollen. Bundestag und Bundesrat ziehen um in den Regierungsbunker und sollen dort getrennt voneinander neue Gesetze besprechen, sitzen aber in einem Raum. Wirtschaftssanktionen gegen den Ostblock werden gefordert und keiner weiß, wie Inhalte konkret aussehen können und was überhaupt beschlussfähig ist. Bundesministerien sollen im Verteidigungsfall zusammenarbeiten und fragen nach einer „Gemeinsamen Geschäftsordnung“, die es nicht gibt.

1979: Nichts geht mehr

Der Problem-Katalog ist lang, den sich Politologin und Historikerin Michaela Karle für „Plan B. – Bonn, Berlin und ihre Regierungsbunker“ vorgenommen hat. Und er ist exklusiv: Noch nie wurden in dieser Dichte Inhalte des zivil-militärischen Komplexes einer NATO-Übung ausgewertet, denn das Material entzog sich über Jahrzehnte einer historischen Aufarbeitung. Umso aufschlussreicher ist diese Sammlung: Der Versuch der Bundesregierung, auch im Verteidigungsfall alle Facetten des Grundgesetzes zu berücksichtigen und juristische Vorgaben zu erfüllen, wirkt ambitioniert, naiv und unbeholfen – schließlich wegen seiner Trägheit nicht kriegstauglich und somit friedensstiftend. Das Korsett eines 3. Weltkrieges ist schlicht eine Nummer zu eng für Bonns Handlungsideale. Während die Ministerien debattieren und verklausulieren, will das Militär handeln.

Der Kalte-Krieg-Kulminationspunkt 1979 wird durch Michaela Karle, Mitarbeiterin in der Dokumentationsstätte Regierungsbunker, Bad Neuenahr-Ahrweiler, ausgewertet: NATO-Doppelbeschluss und Einmarsch der UdSSR in Afghanistan fallen in dieses Jahr, das mit einer NATO-Übung „WINTEX/CIMEX“ beginnt. Spannend in dieser Auswertung auch: Welchen Einfluss haben weltweite Eskalationsphasen oder Entspannungsperioden im Kalten Krieg auf die Planspiele im Regierungsbunker? Gibt es Wechselwirkungen zwischen Übungsinhalten und ganz realen politischen Entwicklungen?

Am 2. März gibt es Antworten, wenn „Plan B.“ am Originalschauplatz Regierungsbunker in der Dokumentationsstätte, Am Silberberg 0, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler, vorgestellt wird. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos, die Personenzahl auf 100 begrenzt. Die erste Buchvorstellung um 17 Uhr ist ausgebucht, für eine zweite Veranstaltung um 19 Uhr sind noch Plätze frei.

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* „Der Spiegel“, Ausgabe 29/1989; 17. Juli 1989, Seiten 23/24