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Zum Tod von Jupp Darchinger PDF Drucken E-Mail
Sonntag, 04. August 2013

Bekannter Bonner Fotograf hatte ein sehr spezielles Bunker-Verhältnis

Jupp Darchinger (bei seinem Besuch im Regierungsbunker 2005): Am 28. Juli 2013 starb der bekannte Bonner Fotograf wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag.
Jupp Darchinger (bei seinem Besuch im Regierungsbunker 2005): Am 28. Juli 2013 starb der bekannte Bonner Fotograf wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag.

Kantig bis kauzig, direkt bis distanziert, ohne Floskeln oder Allüren und wenn es herzlich wurde, sprach er sein Gegenüber altersunabhängig als „junge/r Mann/Frau“ an: auch das war Jupp Darchinger, der am 28. Juli 2013 wenige Tage vor seinem 88. Geburtstag in Bonn verstarb. Mit seinem Namen war, ist und bleibt aber in erster Linie verbunden: Herausragende Fotografien, die Zeitgeschichte festhielten und selber schrieben. Über ein halbes Jahrhundert wurde er zum Chronisten, der den ganz normalen Alltag der Menschen mit seiner Kamera genauso festhielt, wie er weltbekannte Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft auf Film bannte. Zu seinen Arbeiten zählen auch Fotografien vom Bunker der Bonner Regierung im Ahrtal, angefertigt in den 1960er, 70er und 80er Jahren und durchaus im Wissen entstanden, „mit einem Bein im Zuchthaus zu stehen“. Darchinger und der Bunker – das blieb bis zuletzt eine intensive wie auch kritische Beziehung.

Im November 2005 fährt der bekannte Fotograf mit seinem Ford Fiesta am Bunkerhaupteingang in Marienthal vor. Päpste, Kanzler und Präsidenten hat er fotografiert und im Fall der Bonner Republik auch deren Unterkunft für einen Weltkrieg. Betreten hat er den Bunker bis zu diesem Tag nie und erzählt dann im künftigen Museumsbereich wie es damals war, sich dem Staatsgeheimnis möglichst unauffällig zu nähern und einen guten Platz zum Fotografieren zu finden.

Dabei war Jupp Darchinger durchaus wählerisch was sein Motiv betrifft. Ob nun Brandt, Adenauer oder Schmidt – „Bilder müssen eine Botschaft haben, etwas aussagen.“ Das gilt auch für den Regierungsbunker und so drückt der anspruchsvolle Fotograf nicht einfach auf den Auslöser und sieht zu, dass er die gefährliche Kulisse möglichst schnell wieder verlassen kann, sondern sitzt zwischen Weinstöcken „als Landmann verkleidet“ ... und wartet. „Irgendetwas musste ja da unten passieren, jemand reingehen oder rauskommen“. Es dauert einige Zeit, bis ein kleines Baufahrzeuge auftaucht – und Jupp Darchinger hat sein „Bild mit Handlung“. Seine Erinnerungen daran trägt er ohne Pathos, Heldentum oder jedweden Verdacht von Andichtung vor. Im Mittelpunkt steht das existierende Bild, mit dem sich eine Geschichte dahinter verbindet, die aber – trotz Grundlage für das Foto – in seinen Ausführungen und um seine Person sekundär wirkt.

Darchinger, so scheint es, arbeitet aus einer selbstauferlegten Verpflichtung, Geschehnisse und Realitäten festzuhalten. So wächst über Jahre und Jahrzehnte ein Archiv der Zeitgeschichte und der selbsternannte Fotojournalist wird zu einem Chronisten, der Wert auf Distanz legt zu dem, was er mit der Kamera einfängt. Auf der anderen Seite ist er durchaus bereit, bei Personenfotografien Regieanweisungen zu geben, wenn sich vor der Kamera nicht das Motiv „einfindet“, was er sucht – selbst dann, wenn es ein Papst ist.

Diese Fähigkeiten verbindet Darchinger mit einem speziellen Blickwinkel und seine Fotografieren sind so quasi unverwechselbar. Das Vorhandene, eigentlich Unspektakuläre und Alltägliche wird in Jupp Darchingers Arbeiten zu etwas Einmaligem, Besonderen. Dabei bringt er viel Geduld auf und kann auch warten auf den einen Augenblick – so beim Treffen von DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker mit Bundeskanzler Helmut Schmidt 1981 in Güstrow. Zum Abschied gibt es warme Worte und einen Handschlag, dann steigt Schmidt in den bereit stehenden Sonderzug. Für die Berichterstatter ist der Termin zu Ende, doch dann kommt es bei eisiger Kälte zu einer denkwürdigen „Übergabe“, als Honecker dem abreisenden Schmidt einen Hustenbonbon zusteckt. Es gibt nur einen, der es im Bild festhält: Jupp Darchinger. Das Foto wird weltbekannt und spiegelt ein Stück Normalität im Umgang beider Regierungschefs wieder, die im protokollarischen Teil dieser schwierigen Visite nirgendwo erreicht werden konnte.

Schnörkelloses Darchinger-Fazit: „Bunker war Witz der Geschichte“

Die letzte Annäherung an den Regierungsbunker im Ahrtal findet im Januar 2012 in seinem Bonner Wohnhaus statt. Jupp Darchinger lädt zum Kaffee ein und will wissen, wie es im Museum läuft, über das man „ja überall die dollsten Sachen lesen kann“. Dass ein Staatsgeheimnis so ins öffentliche Blickfeld rücken und ein internationales Besucherinteresse auslösen würde, findet er großartig. Das ist ein versöhnlicher Abschluss für „diesen Witz der Geschichte, der als Bunker doch sowieso nicht gehalten hätte. Völlig unbrauchbar – auch aus politischer Sicht“. Ein typisches Darchinger-Fazit.

Zum geplanten Ausflug in die Eifel samt Museumsbesuch kam es leider nicht mehr. Doch die Erinnerung an Jupp Darchinger und sein sehr spezielles Bunker-Verhältnis wird davon unberührt bleiben. Wie auch seine Fotografien vom Regierungsbunker, die dank persönlicher Gespräche mehr zeigen, als nur Baufahrzeuge und Tunnelzugänge. Dahinter steht für immer auch ein besonderer Mensch.