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BND: Keine Kenntnisse zu DDR-Regierungsbunker PDF Drucken E-Mail
Freitag, 23. August 2013

Geheimdienste in Ost und West im Kalten Krieg: Unterschiedliche Arbeitsweisen und Ergebnisse

Zu gut versteckt für den BND? Der eigenen Logik folgend, hätten westliche Geheimdienste nach dem DDR-Regierungsbunker suchen müssen, zu dem aber nach aktuellen Aussagen des BND keine Informationen vorliegen. Im Foto Tarnbauten über dem Objekt „17/5001“, dessen Geschichte ausführlich im Buch von Jürgen Freitag und Hannes Hensel „Honeckers geheimer Bunker 5001“ (Bildquelle) beschrieben ist.

„Unserer Aufklärung war das Projekt von Anfang an bekannt“, stellte DDR-Spionagechef Markus Wolf kurz vor seinem Tod 2006 um die vermeintliche Geheimhaltung des westdeutschen Regierungsbunkers klar. „Wir kannten auch ihre Bunker“, betonte Waldemar Schreckenberger, sieben Jahre Koordinator aller bundesdeutscher Geheimdienste. Der Bundesnachrichtendienst (BND) informiert jetzt nach Auswertung seiner Unterlagen: Zum DDR-Regierungsbunker liegen keine Informationen vor.

Es war nicht die vermeintliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, sondern die logische Konsequenz des Kalten Krieges: Wo eine Regierung existiert, gibt es auch einen Regierungsbunker, der für den „Tag X“ Handlungsfähigkeit sicherstellen sollte. In Ost und West wurde deswegen seit 1960 durch Bunkerexperten geforscht, gebaggert und betoniert. Im Nachhinein betrachtet sind ähnliche Vorgehensweisen und Ergebnisse deutlich erkennbar, mit denen sich identische Denkansätze und Umsetzungen verbinden.

Rechts Kasernenbereich, links Bunkerkomplex (17/5001; „Honecker-Bunker“) auf einer Luftbildaufnahme aus der Zeit nach 1991 (aus „Honeckers geheimer Bunker 5001“). Der Tarnung um diese Liegenschaft in einem Waldgebiet bei Prenden schenkte das DDR-Ministerium für Staatssicherheit hohe Aufmerksamkeit – offensichtlich erfolgreich, wie der BND nach Auswertung seiner Unterlagen jüngst bestätigte.

Doch gilt das auch für die Spionage? Wo setzte die geheimdienstliche Tätigkeit an, welche Ergebnisse lieferte sie in Ost und West? Wie bekannt war der Gegenseite das, was hinter dem Eisernen Vorhang als „Staatsgeheimnis Nummer 1“ in deutsch-deutscher Erde versteckt wurde?

Bereits seit Mitte der 1960er Jahre beobachtete Wolfs Spionageabteilung „Hauptverwaltung Aufklärung“ für Ost-Berlin den Bau des westdeutschen Regierungsbunkers im Ahrtal. Zu dieser Zeit hatte die DDR-Staatsführung ihren Bunkerbau in Rüdersdorf, 25 Kilometer östlich von Berlin, bereits abgeschlossen. Fast 5.000 Aktenseiten und eine umfangreiche Fotodokumentation beim „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“ (BStU) belegen: Ost-Berlin war immer auf dem Laufenden, was einen Atomschutzbunker der Bonner Regierung betrifft. Und andersherum?

Fehlanzeige. Weder der Bunkerkomplex in Rüdersdorf als Vorläufer, noch die zweite, 1983 fertiggestellte Führungsstelle in Prenden (Objekt „17/5001“; fünf Kilometer nord-östlich der Waldsiedlung Wandlitz) sind beim BND irgendwo notiert.

"Honeckers Wolfsschanze" Thema in West-Berliner Zeitung, nicht aber in BND-Papieren

Als Rückmeldung auf eine entsprechende Anfrage der „Bunker-Dokumentationsstätten, Marienthal“ beantwortet Dr. Andreas Elbach, Leiter der Arbeitsgruppe Archiv beim BND in Pullach, abschließend: „Es liegen keine Informationen oder Angaben zu Bunkerbauten in Prenden oder Rüdersdorf vor.“

Dabei hätte der BND durchaus Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Aufklärung des DDR-Regierungsbunkers gehabt. So titelte 1986 die im Westteil erscheinende „Berliner Morgenpost“: „Honeckers Wolfsschanze liegt tief unter der Erde“. Der Artikel beschreibt zwar nicht den DDR-Regierungsbunker in Prenden, sondern die militärische Führungsstelle in Harnekop, und doch wird ein Thema aufgeworfen, mit dem sich der Bundesnachrichtendienst längst hätte beschäftigen müssen.

Nach Informationen des BND tat er es nicht – weder zu diesem Zeitpunkt, noch vorher oder danach. Der Honecker-Bunker blieb demnach das, was das Ministerium für Staatssicherheit über Jahrzehnte und mit hohem Aufwand sicherstellte: Ein nie aufgeklärtes Staatsgeheimnis.

Möglich ist aber auch: Der Bundesnachrichtendienst hat Erkenntnisse über Honeckers Bunker, die er entweder nicht freigeben kann oder es nicht will. Denn eine vollständige Auswertung des BND-Aktenbestandes hat es bisher nicht gegeben. Niemand kann aktuell einschätzen, was tatsächlich im Archiv vorliegt und was nicht.

Möglich ist auch, dass sich über vorliegende Dokumente eine geheimdienstliche Arbeitsweise schlussfolgern ließe oder BND-Spione im Netz der DDR-Sicherheitsorgane nachträglich „auffliegen“. Dann gilt es für den BND abzuwägen, was das höhere Gut ist: Das Eingeständnis einer mangelhaften Aufklärung oder Einblicke in sein Profil.

Ost-Berlin: Untersuchungen nach „Morgenpost“-Veröffentlichung

Wenn schon der ganzseitige Beitrag zum vermeintlichen DDR-Regierungsbunker in der Westpresse den BND nicht auf den Plan rief, für das MfS war sogar die fehlerhafte Darstellung Anlass für Untersuchungen und eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen. Wie Jürgen Freitag, bis 1990 stellvertretender Leiter im Honecker-Bunker, bei seiner Recherche zum Buch „Plan B. – Bonn, Berlin und ihre Regierungsbunker“ nachwies, folgten umfangreiche Untersuchungen zu einem möglichen Informationsleck.

Dabei wurde genau festgehalten, wer am Bau beteiligt war und im „diensthabenden System“ eingesetzt wurde. Sogar die Fahrtrouten des Personals wurden analysiert auf mögliche Schlussfolgerungen für eine gegnerische Aufklärung. Die „Geheime Verschlusssache“ endet mit: „Obwohl der eingesetzte Personalbestand über die Einhaltung der Geheimhaltungsbestimmungen schriftlich belehrt worden ist, müssen strengere Maßnahmen der Wachsamkeit und Geheimhaltung durchgesetzt werden.“

Bis zum Ende der Deutschen Demokratischen Republik gelang es der West-Spionage offenbar nicht, diese Geheimhaltung um den DDR-Regierungsbunker zu knacken. Mit der Wiedervereinigung 1990 übernahm die Bundeswehr den Bunker und blieb bis 1993 Hausherr. Anschließend wurde die Festung des Kalten Krieges geräumt und versiegelt. 2008 öffnete der Bunker für einige Monate, was massives Besucherinteresse auslöste. Seitdem ist der Bunker verschlossen und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Das Buch „Honeckers geheimer Bunker 5001“ (www.bunker5001.com) von Jürgen Freitag und Hannes Hensel beschreibt ausführlich in Text und Bild die Geschichte dieses Bauwerks.

Für das Buch „Plan B. – Bonn, Berlin und ihre Regierungsbunker“ (Michaela Karle, Jörg Diester; www.plan-b-bunker.de) bearbeiteten Jürgen Freitag und Jörg Diester in Form eines Ost-West-Dialoges (in Kapitel 3 von 4) Fragen der Geheimhaltung um beide deutsche Regierungsbunker und Arbeitsweisen der Spionage/Spionageabwehr. Aus dieser Bearbeitung resultierte die Anfrage beim Bundesnachrichtendienst BND, die nach umfangreichem Austausch und einer zwischenzeitlichen Akten-Auswertung von durch den BND freigegebenen und an das Bundesarchiv, Koblenz, abgegebenen Unterlagen jetzt abgeschlossen ist.