Fotograf Josef-Heinrich Darchinger brachte seinerzeit den "Ausweichsitz" auf den Titel des "Spiegel"

Foto: Am Vormittag fotografierte er den Bundeskanzler, am Nachmittag seinen Bunker. Letzteres heimlich, »und mit einem Bein im Zuchtshaus«. Fotograf Jupp Darchinger brachte den Ausweichsitz noch während seiner Bauzeit auf den Titel des »Spiegel«.

Für die "Großen" hat er gearbeitet, die "Großen" fotografiert, zählt längst selbst zu den "Großen": Josef-Heinrich Darchinger. Der Bilder des Bonner Fotografen haben sich alle bekannten nationalen und internationalen Zeitungen und Zeitschriften bedient. Jahrzehntelang hat er für den Spiegel" gearbeitet, für "Die Zeit". Vor der Kamera standen Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Heinrich Böll ...

Mit Adenauer und Brandt verbindet ihn noch heute das einmalige Erlebnis, "dass ich beide überreden konnte, sich gemeinsam fotografieren zu lassen. Sie hatten kein einfaches Verhältnis zueinander und brauchbare Bilder, die beide zeigten, gab es nicht. Brandt neigte sich zu Adenauer und stand genau im Schärfebereich, Adenauer war leicht unscharf. Perfekt!"

In Helsinki hält er mit der Kamera die KSZE-Konferenz von 1974 fest, reist hinter den eisernen Vorhang in die DDR, nach Moskau und China, Libyen, Israel ...

Darchinger ist einer der großen deutschen Fotografen der politischen Szene. Ausstellungen widmeten sich seinen Arbeiten, in Büchern sind sie veröffentlicht. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Und ein Fotograf unkonventioneller Entscheidungen, geht es um seine Arbeit und die angestrebten Ergebnisse. "Hartnäckigkeit gehört zu unserem Beruf", sagt der Bonner, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feierte und erinnert sich an einen Auftrag vor fast 40 Jahren. "Der Spiegel wollte einen Bericht über den Regierungsbunker im Ahrtal bringen. Also machte ich mich auf den Weg. Ich bin ein Kind der Region, kannte mich also im Ahrtal zwischen Bad Neuennahr und Dernau aus. Ich machte mich auf die Suche nach dem Bauwerk, von dem ich vage wusste, wo es liegen könnte."

Sein Auto stellte er "irgendwo" ab, machte sich mit der Fotoausrüstung zu Fuß auf den Weg. "Ich wusste um die Brisanz des Auftrages. Doch in dem Augenblick, wo du die Bilder machst, denkst und arbeitest du als Fotograf. Erst danach schlottern dir die Knie und das Bewusstsein steigt in dir auf, dass du mit einem Bein im Zuchthaus stehst."

Es ist nicht der letzte "Termin" zwischen Dernau, Marienthal und Ahrweiler, der Jupp Darchinger, wie er einst von Bundeskanzler Helmut Schmidt genannt wurde, in die Weinberge um und über den Bunker führte. Der Wandelgang zwischen Fototerminen im Kanzleramt, bei Ministerien als Nutzer des Regierungsbunkers im Kriegs- und Krisenfall auf der einen Seite und seiner fotografischen Dokumentation, die von eben jenen in keinster Weise gewünscht war, brachten Darchinger immer wieder zum "Ausweichsitz der Verfassungsorgane". "Ich war in den Weinbergen unterwegs, habe mich zum Teil zwischen den Rebstöcken an den Bunker herangerobbt - so wie es meine Generation beim Militär gelernt hat. Das hat uns im Krieg das Leben gerettet und bei der Arbeit für gute Bilder gesorgt, ohne dass ich entdeckt wurde. Für den Augenblick des Fotografierens habe ich mir Lücken zwischen den Rebstöcken ausgesucht, die Technik eingestellt und bin dann kurz aufgetaucht. Foto im Kasten und wieder runter." Die ersten Bilder vom Regierungsbunker im "Spiegel" wurden dann auch konsequenterweise nicht unter seinem Namen abgedruckt. "Die Bilder waren eine kleine Sensation, die es sogar auf den Titel geschafft haben."

Heute führen die beiden Söhne Franc und Mark zusammen mit Vater Jupp das Unternehmen "J.H. Darchinger" in Bonn. Es ist noch immer eine der Top-Adressen, geht es um Fotos der Zeitgeschichte, die im Dunstkreis der Politik entstanden sind.

Einen Überblick darüber bietet das Unternehmen im Internet unter www.darchinger.com.

Die unter www.ausweichsitz.de gezeigten Bilder können nicht nachbestellt werden.