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Das Unnahbare ist Geschichte PDF Drucken E-Mail
Sonntag, 29. Juli 2007
Am Ende einer außergewöhnlichen Begegnung mit einem Staatsgeheimnis. Rund 9.000 Besucher nutzten die Möglichkeit, und tauchten an zwei Ausstellungswochenenden in die Welt des Kalten Krieges ein.

Sonntag, 29. Juli, kurz nach 19 Uhr. Die letzten Besucher haben ihre erste Runde durch das ausgediente Staatsgeheimnis zurückgelegt. Zwischen dem Beschluss zum Dienstschluss für den Regierungsbunker und den Weg durch - und in - die Öffentlichkeit liegen zwar auch fast 10 Jahre, doch nun haben rund 9.000 nicht ganz "offizielle" Menschen im Notfallquartier der Regierung ihre Spuren hinterlassen. Es waren einige dabei, die auch vor 20, 30 Jahren eingerückt wären. Doch die überwiegende Zahl kam als Neuling.

Die Foto- und Videoausstellung der Handwerkskammer Koblenz, des Heimatvereins „Alt-Ahrweiler“ und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung an zwei Wochenenden war der Einstieg in ein Kapitel des Kalten Krieges, das sich erstaunlich lange gehalten hat. Als Staatsgeheimnis vom ersten Tag geplant, haftete der Welt unter Tage sogar nach dem Beschluss, alles aufzugeben, der Ruf des Unnahbaren an.

Das hat sich in den vergangenen 14 Tagen geändert. Zum Positiven.

Viele Besucher ließen ihren Gedanken freien Lauf und dachten am Ende der Ausstellungsfläche beim Blick in das endlos scheinende Röhrensystem laut nach. „Unsere Regierung hat es ernst gemeint“, „ heute verstehen wir, was damals los war“, oder „den Kalten Krieg kann man hier auch nach seinem Ende verstehen und vermitteln“ – das war der Tenor. Das hat alle erfasst – jung und alt. Der Architekt dieses Konglomerats aus Funktionalität, technischer Meisterleistung und Botschaft an das Ende war da. Der Sohn des Oberbauleiters, die Töchter derer, die das Ganze damals erdacht und konsequent über alle Zweifel, Ängste und Widersprüche durchgezogen haben, ebenso. Wie auch die Kinder von verunglückten Bauarbeitern. Ehemalige hochrangige Mitarbeiter aus Ministerien, Botschafter a. D. wanderten durch den Tunnel. Der, der die Überreste vor weniger als zehn Jahren veräußern sollte, schritt durch den Berg. Und eben 9.000 Menschen, die damals wie auch heute in die Röhre geschaut hätten/haben.

Die Sache ist gut ausgegangen. Sonst hätte heute niemand in die (Tunnel)Röhre geschaut. Und doch bleibt – über die Befriedigung der bloßen Neugier hinweg – die Erkenntnis, dass niemand einen solchen Ausweichsitz plant und baut, der ihn nicht auch als letzte Möglichkeit in politische Überlegungen einbezieht.

Der Hupton im Eingangsbauwerk und das Dröhnen der zufahrenden 25 Tonnen schweren Haupttore war da die richtige Läuterung für die Besucher. So hörte es sich an, wäre im 3. Weltkrieg das Tor zum letzten Mal in seiner Endstellung eingerastet. Glockenspiel der Apokalypse nannten es einige Besucher in diesen Tagen.

Die Mitarbeiter haben es täglich zwei Mal gehört. Morgens und abends gab es den Hupton gratis – am Tagesschluss quasi die Werkssirene für den Feierabend. „Man hat sich daran gewöhnt, und doch läuft es einem jetzt den Rücken hinunter“, sagte einer, der hier nach 36 Dienstjahren am Wochenende die Besucher durch das Reich führte, das einst sein Arbeitsplatz war. Sein Einsatz steht schließlich für den Neustart als Ort, an dem man sich über all das, was dieses unterirdische System hervorbrachte, Gedanken machen kann und soll.

Diese Ausstellung war ein guter Einstieg in die museale Zukunft des Regierungsbunkers, in dessen Museumsmeile rund 1,5 km weiter östlich noch die Baumaschinen unterwegs sind und bald auch Besucher. 8.000 zahlende Gäste der jetzigen Ausstellung stehen für das Interesse an diesem Kapitel der Geschichte. Über den von ihnen entrichteten Eintrittspreis leisten sie auch einen wichtigen Beitrag für das Museumsprojekt. Dafür Danke vom Heimatverein Alt-Ahrweiler, der als Träger der Dokumentationsstätte die Verantwortung für diesen Teil des (erhaltenen) Bunkers übernehmen wird, der auch als zementierter Zeitzeuge deutscher Realität der 60er, 70er und 80er Jahre erhalten bleibt. Der Überschuss wird in die Museumskasse fließen.

Die Handwerkskammer Koblenz wird nach dem letzten Besucher im Bunker aktiv. Sie war es auch vor dem Gang des ersten Gastes in die Tiefe der unterirdischen Anlage und hat die Ausstellung aufgebaut. Nach dem Torschluss des Trotzenberges in Marienthal geht es nun um den Rückbau der Ausstellung. Einige Kilometer Stromkabel werden aufgerollt, 200 Lampen verpackt, einige mit der Leistung für helle Momente eines ganzen Einfamilienhauses. In Partnerschaft mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung gab es durch alle drei Aussteller einen Vorgeschmack auf das, was an diesem Ort deutscher Geschichte möglich und machbar ist.

Das Staatsgeheimnis hat nach diesen zwei Ausstellunsgwochenenden endgültig ausgedient. Seine Faszination hat es nicht verloren.