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Montag, 22. Oktober 2007

"Und action": Vom inquisitorischen Film-Set übers Luxushotel zum Atomkrieg

Symbolkraft eines Ausweichsitzes: Teile der hessischen Notstandsregierung wären ins 1136 gebaute Kloster Eberbach verlegt worden. Mitten im Kalten Krieg war der Ort Filmkulisse für den Welterfolg „Der Name der Rose“.

November 1327. Benediktinermönch Adson als Novize des William von Baskerville setzt seinen Bericht auf über die unglaubliche Mordserie an fünf Mönchen innerhalb weniger Tage. Zu dieser Zeit war bereits im Kloster Marienthal an der Ahr die erste Messe gelesen - und seit fast 200 Jahren verhallt. Wie auch im Rheingauer Kloster Eberbach, das 1136 gegründet wurde.

Sean Connery kann das alles egal sein: 1985 wird im Rheingau der Film "Der Name der Rose" gedreht - mit ihm in der Hauptrolle. Damit wird die Buchvorlage von Umberto Eco mit ihren Protagonisten wie auch die Kulisse weltberühmt. Doch den Handlungsort gibt es so gar nicht. Teilweise wird in Italien gedreht, meistens aber westlich von Wiesbaden im Kloster Eberbach. Für das große Kino werden sogar Teile der Klosteranlage umgebaut. Doch auch das wird sicher nicht die große Aufmerksamkeit von Hauptdarsteller Connery erregt haben.

"Klappe die letzte"

Was dem Film-Weltstar sicher nicht ganz egal gewesen wäre: "Seinen" Drehort im Kloster Eberbach hätte im Konfliktfall der Weltmächte nicht die Inquisition heimgesucht, sondern die hessische Landesregierung. Als Hausmacht standen ihr hier Räumlichkeiten zu. Kartenraum, Funkraum, Unterkunft für die Mannschaften - Klappe die letzte für den Film. Ein Einflug der Polit-Prominenz in dem über 800 Jahre alten Zisterzienser-Refugium hätte hier alles auf den Kopf gestellt.

Günter Ringsdorf hat diese Zeiten miterlebt. Sein Zuspruch war die Eintrittskarte für das Filmteam, das dann einen Welterfolg auf Zelluloid bannte. Der ehemalige Geschäftsführer des Klosterkomplexes warf nicht nur einen Blick auf das Treiben vor der Kamera im Innenhof, er kannte auch den Takt des Diesel der Notstromversorgung der Ausweichsitzler aus Wiesbaden im Hof des Klosters. "Drei, vier Mal im Jahr rückte eine Gruppe der Polizei an und prüfte die technische Ausrüstung. Für uns beeindruckend und ein Albtraum zugleich: Die Notstromerzeugung lief tagelang ohne Probleme und der Dieselgenerator lieferte seinen sonoren Takt, für alle Klosterbesucher und Anwohner gut hörbar."

Bereits zu dieser Zeit lief im Kloster - die Anlage befand sich in Landesbesitz - parallel ein ganz anderes Programm. Seit 30 Jahren wird umgebaut und restauriert. Der Klosterkomplex in einem geschützten Seitental des Rheins ist eine Dauerbaustelle.

Privatwohnungen im Ausweichsitz

Längst sind die Räumlichkeiten aus alter Notstandsplanung verschwunden. Dort, wo zu Zeiten von Sean Connery die Landesregierung ihre Absteige vorgesehen hatte, gibt es heute Privatwohnungen. 30 Sekunden Fußweg vom ehemaligen Ausweichsitz entfernt, ist man wieder am "Set" - mitten in der großen Klosterkirche, in der Adson im Film einen der fünf toten Mönche findet.

Auch Professor Siegbert Sattler kennt jeden Winkel im Kloster - und noch einige andere darüber hinaus. Der ehemalige leitende Mitarbeiter im hessischen Staatsbauamt hat an der Verfüllung ehemaliger Luftschutzstollen im Rhein-Main-Gebiet oder im Rheingau genauso mitgewirkt, wie er in die Planung des Landesausweichsitzes involviert war. Dabei haben sich die Politiker einer einfachen, gar nicht kriegstauglichen, Überlegung bedient: Ein Kloster wird aus ethischen bis moralischen Gründen so schnell nicht angegriffen - was ja auch in den Haager Konvention ratifiziert war. Doch man verließ sich nicht nur auf das Gottvertrauen in die Lesebereitschaft entsprechender Verträge eines künftigen Feindes.

"Plan B": Die Luxusabsteige im Taunus

Neben der Traditionsabsteige im Kloster gab es eine zweite Adresse der ausweichenden Landesregierung: Das Kurhotel von Bad Schwalbach (heute Eden Parc Hotel). Auch dort wurde erheblich investiert und umgebaut. Ursprünglich als Hotel im Baushausstil errichtet, ist es heute eines der wenigen Luxusherbergen in Deutschland, das in dieser Architektur noch erhalten ist. Das wirkt nach außen massiv und doch ästhetisch und in sich schlüssig. Außerdem bunkermäßig, schaut man sich die schmalen Fensterschlitze der Stockwerke im Turmgebäude an. Alles liegt in einem Tal mit steilen Hängen.

Von diesen strategisch günstigen Voraussetzungen inspiriert wurde offensichtlich auch die hessische Landesregierung, als es um eine weitere Standortfrage im Kriege ging. Beim Umbau vor rund 30 Jahren wurde über die normale Statik geplant. Die ursprüngliche Architektur aus dem Jahr 1930 weist "Spoiler" auf. Nachträglich angebaut, gibt es gut dimensionierte Terrassenbereiche und eine Stahlbetonhülle, die in einigen Teilen über das ursprüngliche Bauhaus-Torso gestülpt, bzw. rückwärtig angebaut wurde. Da kann es auch vorkommen, dass man wenige Zentimeter hinter einer Tür (eingesetzt in 30 cm starken Stahlbeton) auf die nächste zusteuert - die allerdings einen halben Meter tiefer liegt und durch eine Wand führt, die ganz normal gemauert ist. Spannendes Detail im umfangreich ausgebauten Hotelkeller: Hier gibt es Luftschutztüren aus Zeiten des zweiten Weltkrieges. Verteidigungsarchitektur an einem Ort aus verschiedenen Epochen, wo man sie - nicht nur als Hotelgast - sicher nicht vermutet.

Dort, wo man sich im Kalten Krieg zur Lagebesprechung eingefunden hätte, wird heute geplanscht. Aus dem Krisenzentrum ist ein Schwimmbad mit Wellnessbereich geworden. Einige unter den Hotel-Mitarbeitern können sich noch an die Zeit vor dem Umbau erinnern. Da gab es mehrere Büroräume und ein eigenes Treppenhaus.

All das ist verschwunden, wie auch die Notstromerzeuger in Eberbach mit ihren 30.000 Litertanks oder den im Kloster-Dormitorium eingelagerten Betten und Stahlschränken. Alles ist fort - wie auch die 60 Mio. DM vom Konto der Landesregierung, die man vor einigen Jahrzehnten für diesen Teil Führungsarbeit in Beton und nachgelagerte Technik wandelte.

Doch mit der Entscheidung für den Rückzug ließ sich die Landesregierung Zeit. Als eines der letzten Bundesländer machte man den sogenannten "ungeschützten Ausweichsitz" zu. Unter Aktenzeichen "IV C 1 - 24 c 04-01 VS-NfD" vermerkt das Wiesbadener Innenministerium Ende Februar 1993 auch: "Die Planungen für den Ausbau des geschützten Ausweichsitzes werden nicht weiterverfolgt". Damit wird diese Akte geschlossen, die am 26. Juni 1963 mit großen Plänen angelegt wurde: "Befehlsstelle für 350 Leute geplant, hierfür Ausbau eines Stollens mit 50 - 70 Meter Überdeckung. Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen, daher können noch keine Angaben zu Kosten gemacht werden."

 

Für die freundliche Unterstützung bei den Recherchen geht ein herzliches Dankeschön an Günter Ringsdorf, Prof. Siegbert Sattler, sowie die Leitung der "Stiftung Kloster Eberbach", Eltville und die Leitung des "Eden Parc Hotel", Bad Schwalbach wie auch das niedersächsische Innenministerium, Hannover.